Ruxolitinib bei Polycythaemia Vera

06.08.2015

Die Nutzenbewertung von Ruxolitinib bei Patienten mit Polycythaemia Vera (PV) nach Vorbehandlung mit Hydroxyurea ist die zweite Indikation für diesen Kinase-Inhibitor. Ruxolitinib ist seit 2012 zugelassen für die Behandlung von krankheitsbedingter Splenomegalie oder Symptomen bei Erwachsenen mit Primärer Myelofibrose (PMF), Post-Polycythaemia vera-Myelofibrose (Post-PV-MF) oder Post-Essentieller Thrombozythämie-Myelofibrose (Post-ET-MF). Die erste Nutzenbewertung hatte im März 2013 zur Festlegung eines geringen Zusatznutzens, die erneute Nutzenbewertung im November 2014 nach Überschreitung der im AMNOG festgelegten Umsatzgrenze zur Festlegung eines beträchtlichen Zusatznutzens geführt. Ruxolitinib hat für die Polycythaemia Vera den Status eines Orphan Drug bei der EMA, wird aber in der deutschen Nutzenbewertung im „regulären“ Verfahren bewertet.

Der pharmazeutische Unternehmer beantragt die Feststellung eines beträchtlichen Zusatznutzens. Der IQWiG Bericht sieht den Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen. Unsere Anmerkungen sind:

  • Die Wirksamkeit von Ruxolitinib wurde in RESPONSE, einer multizentrischen Phase III-Studie, getestet. Kontrollarm war bestverfügbare Therapie. Die Studie bestätigt die Durchführbarkeit qualitativ hochwertiger Studien bei Orphan Drugs.  
  • Als zweckmäßige Vergleichstherapie für die Nutzenbewertung wurde vom G-BA eine patientenindividuelle Therapie nach Maßgabe des Arztes, grundsätzlich unter Berücksichtigung des Zulassungsstatus, festgelegt. Das entspricht nur mit Einschränkungen der Behandlungsrealität. Vor allem bei jüngeren Patienten wird pegyliertes Interferon alpha (IFN-α) eingesetzt. IFN-α ist in dieser Indikation in Deutschland nicht zugelassen, aber eine sinnvolle Zweitlinientherapie. Bei älteren Patienten werden auch Busulfan und 32-Phosphor verwandt.
  • Ruxolitinib führte in der Zulassungsstudie zu einer signifikant höheren Rate kompletter hämatologischer Remissionen, zur besseren Kontrolle des Hämatokrits, zur Reduktion der Milzgröße und der Häufigkeit von Aderlässen. Die Lebensqualität wurde signifikant verbessert.
  • Der Einfluss von Ruxolitinib auf die Prävention der bei PV-Patienten besonders morbiditätsträchtigen, thrombembolischen Komplikationen konnte wegen einer geringen Anzahl von Ereignissen nicht quantifiziert werden. Auch der Einfluss auf andere Langzeitkomplikationen wie Myelofibrose oder die Entstehung einer akuten Leukämie ist unklar. Nicht veröffentlicht wurden Daten zur progressionsfreien Überlebenszeit und zur Gesamtüberlebenszeit. Der Einfluss von Ruxolitinib auf die Gesamtüberlebenszeit im Vergleich zum Kontrollarm wird durch eine sehr hohe Zahl von Crossover-Patienten wohl auch langfristig nicht auswertbar sein.
  • Ruxolitinib ist gut verträglich. Allerdings treten selten schwerwiegende Nebenwirkungen, vor allem infektiöse Komplikationen, auf. Unerwartete Langzeitnebenwirkungen haben sich bisher nicht gezeigt.

Ruxolitinib ist hoch wirksam in Bezug auf hämatologische Parameter und Parameter der Lebensqualität bei Patienten mit Polycythaemia Vera, die eine Resistenz bzw. Intoleranz gegenüber Hydroxyurea aufweisen. Der Einfluss von Ruxolitinib auf kritische, klinische Komplikationen der Polycythaemia Vera wie thrombembolische Komplikationen, Übergang in Myelofibrose und/oder akute Leukämie, sowie auf den langfristigen Krankheitsverlauf ist unklar. Es fehlt auch an Daten zum Vergleich von Ruxolitinib und dem in Deutschland regelmäßig eingesetzten IFN-α.

 

Ruxolitinib - DGHO Stellungnahme 20150805