DGHO-Frühjahrstagung 2014: Kritische Überprüfung der Krebsfrüherkennung notwendig

13. März 2014
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. fordert eine kritische und differenzierte Überprüfung der Krebsfrüherkennung in Deutschland. Das machte der Vorstand der Fachgesellschaft während der DGHO-Frühjahrstagung auf einer Pressekonferenz in Berlin deutlich. Dazu stellte die DGHO den 4. Band ihrer Gesundheitspolitischen Schriftenreihe „Krebsfrüherkennung in Deutschland 2014. Evidenz – aktueller Stand – Perspektiven“ vor.

DGHO FJT 2014
Die Zahl der Krebspatientinnen und Krebspatienten in Deutschland steigt kontinuierlich, vor allem aufgrund der demografischen Entwicklung. Ein wichtiges Element in den Konzepten zur Senkung der Krankheitsbelastung und Sterblichkeit ist die Früherkennung, auch sekundäre Prävention bezeichnet. Ziel ist die Entdeckung bösartiger Tumore in einem frühen Stadium, in dem die Heilungschancen noch sehr hoch sind.

Für eine ganze Reihe von Krebserkrankungen stehen heute Früherkennungsverfahren zur Verfügung, einige sind Bestandteil der Krankenkassenleistungen. Sowohl gesundheitspolitisch als auch persönlich sind Nutzen und Risiken der Krebsfrüherkennung sorgfältig abzuwägen. Der Nutzen liegt in einer höheren Heilungsrate oder in einer Heilung mit geringem therapeutischem Aufwand. Die Risiken liegen in den Belastungen durch die Untersuchung selbst, in der Überdiagnostik durch die Abklärung unklarer Befunde und in der Übertherapie durch die Behandlung von Tumoren, die ohne die Früherkennung im Laufe des Lebens der Betroffenen nicht klinisch symptomatisch geworden wären und nicht zum Tod geführt hätten.

Bestmögliche Versorgung von Patienten
Auf der Pressekonferenz machte Prof. Mathias Freund, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO, deutlich, dass die Fachgesellschaft sich für eine bestmögliche Versorgung aller in Deutschland von Krebs betroffenen Patientinnen und Patienten einsetzt, aber gleichzeitig die Auffassung vertritt, dass die – besonders in der Onkologie zu verzeichnende – rasche Erweiterung des Wissens eine kritische und differenzierte Überprüfung auch der aktuell in Deutschland implementierten Krebsfrüherkennungsprogramme erfordert.

Prof. Mathias Freund: „Bestimmte Verfahren der Krebsfrüherkennung können helfen, die Sterblichkeitsraten bei Krebs zu verringern. Die notwendigen Untersuchungen vermitteln den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zwar Sicherheit, können aber auch durchaus eine Belastung darstellen und möglicherweise zu Überdiagnostik oder sogar Übertherapie führen. Der Umgang mit Krebs muss sich auch bei Früherkennung am aktuellen Stand des medizinischen Wissens orientieren.“

Qualität der Krebsfrüherkennung sehr unterschiedlich
Die DGHO hat einen Katalog von Forderungen zur Verbesserung der Qualität der bisherigen Krebsfrüherkennungsprogramme und zur Integration neuer Methoden aufgestellt. Dazu gehören:

  • Transparente Nutzenbewertung der jetzt von den Krankenkassen finanzierten Programme in Bezug auf die Senkung der Sterblichkeit, die Vermeidung von Belastungen durch eine fortgeschrittene Krebskrankheit und die Kosten
  • Transparentes System der Qualitätssicherung wie bei der Mammographie auch für andere Programme z. B. für Hautkrebs und Gebärmutterhalskrebs
  • Regeln für den Einsatz von Früherkennungsmaßnahmen außerhalb der bisherigen Früherkennungsprogramme, sogenanntes „graues Screening“, zum Beispiel beim sehr verbreiteten PSA-Test
  • Differenzierung der Früherkennung nach Risikopersonen
  • Flexibles System zur zeitnahen Bewertung neuer Verfahren, zum Beispiel besserer Tests auf Blut im Stuhl beim Dickdarmkrebs, HPV-Testung beim Gebärmutterhalskrebs, Computertomographie beim Lungenkrebs, Tests für Blutkrebs
  • Regelmäßig aktualisierte, verständliche, unabhängige und individuell angepasste Informationen für alle möglichen Teilnehmer an einer Früherkennung


140313 PK.jpgZur Früherkennung bei Brustkrebs äußerte sich Prof. Ulrich Bick, stellvertretender Direktor am Institut für Radiologie der Charité Berlin: „Durch regelmäßiges Mammographie-Screening alle zwei Jahre bei Frauen zwischen 50 und 69 Jahren kann die Brustkrebssterblichkeit um etwa 20 bis 30 Prozent gesenkt werden.“ Der Nutzen des Mammographie-Screenings, so Bick, sei jedoch nicht für alle Frauen gleich hoch. So könne es bei Frauen mit sehr dichtem Drüsenparenchym sinnvoll sein, ergänzende Untersuchungen wie eine Sonographie oder eine Magnetresonanztomographie der Brust durchzuführen. Darüber hinaus müsse die Krebsfrüherkennung Risikogruppen berücksichtigen, machte Bick deutlich. „Bei Frauen mit einer starken familiären Belastung oder einer nachgewiesenen genetischen Disposition für Brustkrebs sollte die Brustkrebsfrüherkennung deutlich früher begonnen und mit kürzeren Intervallen durchgeführt werden. Auch kommt bei diesen Frauen der Magnetresonanztomographie der Brust in der Früherkennung eine wesentlich größere Bedeutung zu“, so Bick weiter.

Für die Früherkennung bei Lungenkrebs machte Dr. Wilfried Eberhardt, Geschäftsführer am Westdeutschen Lungenkrebszentrum in Essen, deutlich, dass sich aktuell eine neue Perspektive abzeichnet. „Nach Jahrzehnten der Stagnation in der Früherkennung konnte im Jahr 2011 und in den fortgeschrittenen Analysen im großen National Lung Screening Trial in den USA zum ersten Mal eine relevante Reduktion der lungenkrebsbedingten Mortalität um circa 20 Prozent und der Gesamtmortalität um sechs Prozent durch die alleinige Einführung von drei Früherkennungsuntersuchungen mit einer Niedrig-Dosis-Computertomographie nachgewiesen werden.“ Vor dem Hintergrund, dass Lungenkrebs derzeit die häufigste Todesursache unter den verschiedenen Krebsformen darstellt, forderte Eberhardt für Risikogruppen mit langjährigem Raucherstatus ein breites, prospektives und klar strukturiertes Früherkennungsprogramm für Deutschland.

4. Band der Gesundheitspolitischen Schriftenreihe
Unter dem Titel „Krebsfrüherkennung in Deutschland 2014. Evidenz – aktueller Stand – Perspektiven“ hat die DGHO den 4. Band ihrer Gesundheitspolitischen Schriftenreihe veröffentlicht. Dabei werden am Beispiel von Brust-, Darm-, Haut-, Lungen-, Prostata- und Gebärmutterhalskrebs die vorliegenden Daten, der aktuelle Stand der Krebsfrüherkennung in Deutschland und mögliche Schritte für zukünftige Krebsfrüherkennungsprogramme diskutiert. „Die Krebsforschung erbringt laufende neue Erkenntnisse“, so Prof. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO. „Aus diesem Grund müssen auch Maßnahmen der Krebsfrüherkennung regelmäßig auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden: Überflüssiges und Schädliches weglassen, Neues und Sinnvolles integrieren, in den vorhandenen Programmen Qualität sichern.“

Über die DGHO
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. besteht seit mehr als 75 Jahren und hat heute über 2.800 Mitglieder, die in der Erforschung und Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen tätig sind. Mit ihrem Engagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, der Erstellung der Onkopedia-Leitlinien, der Wissensdatenbank, der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsseminaren sowie ihrem gesundheitspolitischen Engagement fördert die Fachgesellschaft die hochwertige Versorgung von Patientinnen und Patienten im Fachgebiet. Die DGHO zertifiziert Onkologische Zentren. Zweck der Etablierung von Onkologischen Zentren ist die Sicherstellung einer flächendeckenden, ganzheitlichen, multidisziplinären und integrativen onkologischen Langzeitversorgung der Bevölkerung. Das wesentliche Ziel eines jeden Onkologischen Zentrums ist die Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung der Behandlung jedes Patienten mit einer malignen Erkrankung.


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