DGHO plädiert für mehr Ärztinnen in Führungspositionen
Das ZDF "heute journal" hat am 6. März 2015 über die Initiative berichtet.
Aufgrund des demografischen Wandels ist laut DGHO allein von 2008 bis 2020 bei Männern mit einem Anstieg der Krebsneuerkrankungen um 18 Prozent und bei Frauen um 9 Prozent zu rechnen. „Der Bedarf an Krebsfachärzten steigt, zumal in den nächsten Jahren auch etwa ein Viertel der derzeit tätigen Hämatologen und Onkologen in den Ruhestand gehen wird”, konstatiert Prof. Diana Lüftner, Vorsitzende der DGHO. Als Fachgesellschaft ist es der DGHO ein besonderes Anliegen, den ärztlichen Nachwuchs zu fördern und speziell auch junge Ärztinnen in ihrer Karriere zu unterstützen. „Insbesondere müssen wir fachlich hochqualifizierte Ärztinnen endlich auch für Führungspositionen in Universitätskliniken und Krankenhäusern gewinnen“, betont Lüftner.
Vom Studienabschluss bis zur Oberärztin – die Karriereschere
Obwohl Frauen einen großen Teil des ärztlichen Nachwuchses stellen – im Jahr 2013 ist der Anteil der Ärztinnen an der berufstätigen Ärzteschaft von 44,3 auf 45 Prozent gestiegen –, sind sie sowohl in einzelnen Fachgebieten als auch in den Führungsebenen des Gesundheitswesens deutlich unterrepräsentiert. Wie der aktuelle Band der Gesundheitspolitischen Schriftenreihe der DGHO „Frauen in der Hämatologie und Onkologie. Fakten und Forderungen“ zeigt, liegt der Anteil von Ärztinnen in Führungspositionen gerade einmal bei 26 Prozent, bei den W3/C4-Professuren sogar nur bei 6 Prozent. „Im Bereich der Hämatologie und der Medizinischen Onkologie bekleidet derzeit keine einzige Ordinaria einen Lehrstuhl“, kritisiert Lüftner. „In der Hämatologie und Onkologie arbeiten mehr Frauen in den Positionen der Assistenz-, Fach- und Oberärztin. Mit der Position der Chefärztin bzw. des Chefarztes kehrt sich dieses Verhältnis dramatisch um“, so die Vorsitzende der DGHO.
Dr. Antonia Busse von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie an der Charité erläuterte im Rahmen der Pressekonferenz diese Problematik: „Vielen Frauen sind Führungspositionen nicht den Verzicht wert, den sie dafür bringen müssen. Familiengründung bedeutet auch heute noch einen Karriereknick für Frauen, die sich zunächst der Kindererziehung widmen. Und das betrifft nicht nur das Erlangen von Führungspositionen, sondern auch das erfolgreiche Beenden der Weiterbildung.“
Prof. Tanja Fehm, Direktorin der Frauenklinik an der Universitätsklinik Düsseldorf, betonte in ihrem Vortrag „Innovative Arbeitsplatzgestaltung zur Nachwuchssicherung und Karriereförderung“ die Notwendigkeit, auf den Nachwuchsmangel zu reagieren. Langfristig werde man die Nachwuchsproblematik nur lösen können, wenn man den Bedürfnissen des ärztlichen Nachwuchses gerecht werde. „Wir müssen Arbeitsmodelle entwickeln, die es jungen Ärztinnen und Ärzten ermöglichen, Familie und Beruf besser zu kombinieren und eine zeitnahe Rückkehr von jungen Müttern und Vätern in den Beruf erleichtern. Dazu brauchen wir eine adäquate Kinderbetreuung vom Säugling bis zum Schulkind.“, so Fehm. Außerdem müssten die Arbeitsplätze den Bedürfnissen der neuen Generation von Ärzten (Generation Y) angepasst werden, um Motivation und Arbeitszufriedenheit zu erzielen. „Hierzu gehören beispielsweise verbindliche Arbeitszeiten, eine klar strukturierte Ausbildung und die Entlastung von nicht-ärztlichen Arbeiten durch entsprechend qualifiziertes Personal. Darüber hinaus wünscht sich der ärztliche Nachwuchs ein gutes Mentoring sowie adäquate Feedback-Strukturen, um sich optimal weiterentwickeln zu können“, erläuterte Fehm.
Dr. Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), machte deutlich, dass die von Lüftner und Fehm für den Bereich der Hämatologie und Onkologie geschilderten Probleme und Herausforderungen auch für andere Disziplinen der Medizin von Bedeutung sind. „In den letzten Jahren hat sich das ärztliche Selbstverständnis deutlich gewandelt. Das bringt Konsequenzen für die ärztliche Weiterbildung und den Klinikalltag“, so Hauth. Junge Psychiaterinnen und Psychiater wünschen sich eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um eine Familie zu gründen oder Verantwortung für einen pflegebedürftigen Angehörigen zu übernehmen. „Hier müssen wir vorhandene Spielräume nutzen, um qualifizierte Mitarbeiter langfristig zu binden. Gerade in einem sprechenden Fach wie der Psychiatrie und Psychotherapie, wo rezidivierende und chronische Krankheitsverläufe häufig sind, ist eine vertrauensvolle und tragfähige Beziehung zwischen Arzt und Patient von besonderer Bedeutung“, so Hauth weiter. Die Interdisziplinarität der Teams in den Kliniken oder psychiatrischen Institutsambulanzen würden gute Bedingungen schaffen, um je nach Lebensphase den Beschäftigten Flexibilität zu ermöglichen. Dies komme direkt den Patientinnen und Patienten zugute.
DGHO-Umfrage bestätigt die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie
Dr. Maren Knödler, Oberärztin und Leiterin der Portalambulanz am UCCL am Universitätsklinikum Leipzig und Leiterin des Arbeitskreises Frauen der DGHO, beleuchtete den Themenkomplex „Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Rahmen der aktuellen Weiterbildungsordnung“. Die von ihr und den anderen Referentinnen dargestellte schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie bestätigt auch die aktuelle DGHO-Umfrage. Sowohl die Mehrheit der befragten Ärztinnen als auch der befragten Ärzte gaben an, dass eine Vereinbarkeit nur mit Kompromissen möglich sei (jeweils 71 Prozent). In der Summe werden die angegebenen Kompromisse bei den weiblichen DGHO-Mitgliedern am ehesten in der Wahl der Kinderlosigkeit gesehen. Dass Beruf und Familie „eher gut“ bis „sehr gut“ vereinbar sind, glauben nur 11 Prozent der befragten Ärztinnen und 12 Prozent ihrer männlichen Kollegen.
Reformbedarf bei der ärztlichen Weiterbildung
Einer der Gründe für die Disparitäten bei den Karriereverläufen von Ärztinnen und Ärzten liegt laut DGHO in der ärztlichen Weiterbildungsordnung, in der immer noch familienfreundliche Lösungen fehlen. Derzeit, so Lüftner, sei die Anerkennung von Zeiten für die ärztliche Weiterbildung zur Fachärztin erst ab einem Stellenanteil von 0,5 möglich. „Das ist mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht mehr zeitgemäß. Eine Anerkennung ab einem Anteil von 25 Prozent wäre perspektivisch sicherlich förderlich“, betont die Vorsitzende der Fachgesellschaft, die selbst als Oberärztin an der Berliner Charité arbeitet. „Neben einem Umdenken und der Anerkennung beruflicher, familiärer und sozialer Realitäten brauchen wir Instrumente und Maßnahmen, mit denen wir die Karrieren von jungen Ärztinnen fördern können“, so Lüftner weiter.
Forderungen der DGHO
Um die berufliche Situation von Frauen in der Hämatologie und Onkologie zu verbessern, stellt die DGHO folgende konkrete Forderungen auf:
- Anerkennungszeiten für die ärztliche Weiterbildung ab einem Stellenanteil von 0,25 bei einer minimalen Laufdauer von weiterhin sechs Monaten
- Bei Erfüllung aller Inhalte und Bestätigung der Fähigkeiten ist eine Verkürzung der errechneten Weiterbildungszeiten auf Basis von Teilzeitbeschäftigung um bis zu 30 Prozent möglich
- Verstärkte Implementierung von flexiblen Teilzeitarbeitsmodellen; Gewährung eines Zuschlags von 10 Prozent auf das Personalbudget zur Sicherstellung der Übergabezeiten
- Für die Gewährleistung der Kontinuität und Sicherung der Behandlungsqualität ist bei Schwangerschaft eine überlappende Besetzung ab 8 Wochen vor einem voraussichtlichen Geburtstermin notwendig. Hierfür muss ein entsprechendes Budget zur Verfügung gestellt werden.
- Weiterentwicklung von Konzepten zur Kinderbetreuung sowie Ausbau des bestehenden Angebots zur Kinderbetreuung
- Erlöszuschlag für Kliniken und Arztpraxen, die Weiterbildung anbieten
- Implementierung DRG-unabhängiger Finanzierungsmöglichkeiten zur Förderung von Teilzeitarbeit – zum Ausgleich finanzieller Mehrbelastung der Arbeitgeber durch Teilzeitarbeit
- Implementierung und transparente, vorausschauende und verbindliche Planung von Job-Sharing-Stellen in Verbindung mit flexiblen Teilzeitmodellen
- Gewährleistung von Rotationen in Spezial- / Fremdabteilungen und Forschung auch für Ärzte mit Teilzeitverträgen (z. B. durch Teambildungen)
PD Dr. Anne Letsch, Oberärztin an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie an der Charité und stellvertretende Leiterin des Arbeitskreises Frauen der DGHO, und Prof. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO, brachten auf der Pressekonferenz die aktuelle Situation und die sich daraus ergebenden Herausforderungen auf den Punkt: „Wenn wir in Deutschland eine moderne und im internationalen Vergleich konkurrenzfähige medizinische Forschung und Patientenversorgung wollen, dann brauchen wir moderne Arbeitsmodelle, die sich den gewandelten Familienmodellen anpassen.“
DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. besteht seit 75 Jahren und hat heute 3.000 Mitglieder, die in der Erforschung und Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen tätig sind. Mit der Ausarbeitung von Aus-, Fort- und Weiterbildungscurricula, der Erstellung von Behandlungsleitlinien und Behandlungsempfehlungen sowie mit der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsseminaren fördert die Fachgesellschaft die hochwertige Versorgung von Patienten mit hämatologischen und onkologischen Erkrankungen.
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