Krebsmedikament Melphalan nach kurzer Zeit erneut nicht lieferbar: DGHO fordert Politik zum Handeln auf
Der letzte Lieferengpass von Melphalan ist gerade einmal vier Monate her. Grund war seinerzeit eine Verzögerung bei der Freigabe von Produktionschargen in der weltweit einzigen Produktionsstätte in Italien. Dabei ist Melphalan unverzichtbar in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einem Multiplen Myelom, einer bösartigen Krebserkrankung des Knochenmarks. In der Therapie bei älteren Patientinnen und Patienten gehört Melphalan seit Jahrzehnten zum therapeutischen Standard. Bei jüngeren Patientinnen und Patienten wird Melphalan in hoher Dosierung im Rahmen der Stammzelltransplantation eingesetzt und führt zu einer signifikanten Verlängerung der Überlebenszeit.
„Der Lieferengpass von Melphalan ist ein negatives ‚Paradebeispiel‘ für ein grundsätzliches Problem. Medikamente, die nicht mehr dem Patentschutz unterliegen und häufig weltweit nur noch von wenigen oder nur einem Hersteller produziert werden, sind extrem anfällig für Lieferengpässe. Daraus wird in der Onkologie schnell ein Versorgungsengpass“, so Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO. „Für die pharmazeutischen Hersteller lohnt sich die Produktion der entsprechenden Medikamente wirtschaftlich häufig einfach nicht. Wenn im Fall von Melphalan dann weltweit nur noch eine Produktionsstätte existiert, führen Herstellungsprobleme oder logistische Defizite unmittelbar zu einem Lieferengpass. Leittragende sind dann unsere Patientinnen und Patienten, die auf das Medikament angewiesen sind“, so Bokemeyer weiter.
Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation e. V. (DAG-KBT) hat für den Zeitraum von Mitte 2015 bis heute eine Umfrage unter Transplantationszentren durchgeführt. Nahezu alle der 36 Zentren, die geantwortet haben, gaben Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Melphalan an. Aufgrund der fehlenden Verfügbarkeit des Medikaments mussten bei 15 Patientinnen und Patienten in drei Zentren die Konditionsschemata geändert werden, ohne dass eine medizinische Indikation bestand. „Bei 48 Patientinnen und Patienten in elf Zentren musste die Transplantation sogar verschoben werden. Das ist aus unserer Sicht ein dramatisches Signal an die Politik, dass sie jetzt endlich handeln muss“, so Prof. Dr. med. Nicolaus Kröger, Geschäftsführender Vorsitzender der DAG-KBT.
Derzeit empfiehlt die Firma Aspen behandelnden Ärztinnen und Ärzten, nicht akut erforderliche Behandlungen um einige Wochen zu verschieben. Darüber hinaus wurde eine Kontingentierung eingeführt, um eine zusätzliche Schieflage durch „Hamsterkäufe“ einzelner Apotheken zu verhindern. Das bereits mehrfache Auftreten des Lieferengpasses in so kurzer Zeit unterstreicht in dramatischer Weise die von der DGHO seit Jahren an die Politik gerichteten Forderungen nach längerfristigen, nationalen und europäischen Maßnahmen zur Vorbeugung von Medikamentenlieferengpässen.
„Zwar verlangt das Arzneimittelgesetz eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung von Arzneimitteln. Das Problem ist aber, dass eine Nichtbefolgung sowohl straf- als auch ordnungsrechtlich nicht bewehrt ist und so keinerlei Handlungsdruck generiert wird. Bereits vor drei Jahren haben wir den politisch Verantwortlichen detaillierte Vorschläge unterbreitet und Forderungen aufgestellt, die wir nun vor dem aktuellen Lieferengpass eindringlich erneuern. Dabei ist die gesetzliche Ermächtigung, Behörden mit Handlungsmöglichkeiten auszustatten, um bei Versorgungsdefiziten Maßnahmen zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung treffen zu können, nur ein Teil eines grundsätzlichen Lösungskonzepts“, so Bokemeyer.
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