Welttag der chronischen myeloischen Leukämie: Therapie revolutioniert. Neuen Herausforderungen begegnen
Die chronische myeloische Leukämie (CML) gilt als „Modellerkrankung“ in der Hämatologie und Onkologie. Durch die Entwicklung und Einführung innovativer medikamentöser Behandlungsansätze um die Jahrtausendwende konnte die Behandlung der CML revolutioniert werden. Auf internationaler Ebene findet seit 2011 jährlich am 22. September der Welt-CML-Tag statt. Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, die Deutsche CML-Allianz, Leukaemie-Online.de / LeukaNET, die Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe und der „Elternverein für Kinder mit CML“ nehmen den Tag zum Anlass, den aktuellen Stand der CML-Therapie darzustellen und auf die anstehenden Herausforderungen aufmerksam zu machen.
Bei klinischen Studien zur Erprobung neuer Arzneimittel in der Hämatologie und Onkologie ist die Verlängerung der Überlebenszeit einer der Endpunkte, an dem sich der medizinische Fortschritt in besonderer Weise ablesen lässt. Bei der chronischen myeloischen Leukämie (CML) zeigte der Einsatz der um die Jahrtausendwende neu entwickelten Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) solch eindrucksvolle Effekte. Heute leben mehr als 80 Prozent der Betroffenen auch noch zehn Jahre nach Diagnosestellung und haben eine nahezu gleiche Lebenserwartung wie die Allgemeinbevölkerung.
Von einer tödlichen zu einer chronischen Erkrankung:
Aktueller Stand in der CML-Therapie
„Der rapide Erkenntnisgewinn im Bereich der Molekulargenetik hat die
Grundlage für die Entwicklung von zielgerichteten Therapien geschaffen“, so Prof. Dr. med. Andreas Hochhaus, Direktor der Abteilung Hämatologie und Internistische Onkologie am Universitätsklinikum Jena und Vorstand der Deutschen CML-Allianz. „Die modernen Arzneimittel greifen dezidiert in die molekulargenetisch determinierten Prozesse ein, die beispielsweise den hämatologischen Neoplasien und damit auch der chronischen myeloischen Leukämie zugrunde liegen. Dabei ist das Besondere an der CML, dass sie für uns gewissermaßen ein Modell darstellt, anhand dessen erstmals die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf molekularer Ebene in den klinischen Alltag gezeigt und damit in die konkrete Behandlungssituation von Patientinnen und Patienten gebracht werden konnte.“
Neue Arzneimittel bei der CML: Zulassung und Nutzenbewertung
Dass medizinischer Fortschritt immer auch zu neuen Herausforderungen führt, machte Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO, deutlich. „Bei Patientinnen und Patienten mit CML sehen wir heute eine Lebenserwartung, die nahezu der der Allgemeinbevölkerung entspricht.“ Derzeit werden u. a. die Behandlungsdauer bei gutem Ansprechen, die Verbesserung der Therapietreue, die Persistenz einer minimalen Resterkrankung bei den meisten Patientinnen und Patienten sowie der Stellenwert von Kombinationstherapien diskutiert (u. a. STIM, TWISTER, EURO-SKI). „Die EURO-SKI-Studie zeigt uns, dass ein kontrolliertes Absetzen des TKI nach mindestens drei Jahren Therapie und einem Jahr nachgewiesener tiefer molekularer Remission bei engmaschigem Monitoring grundsätzlich möglich ist." Werde dann im Rahmen der notwendigen engmaschigen Kontrolle innerhalb der „Therapiefreien Remission“ ein molekulares Rezidiv festgestellt, sei die erneute Gabe von TKI angezeigt. Dabei habe laut Wörmann die STIM-Studie gezeigt, dass alle Patientinnen und Patienten mit einem molekularen Rezidiv auf die wiederholte Gabe des TKI angesprochen hätten.
CML als Hoffnungsmodell für Krebspatienten
Zwar lasse sich das Erfolgsmodell CML nicht ohne Weiteres auf andere Blutkrebserkrankungen oder solide Tumoren übertragen, die medizinischen Erfolge im Sinne einer deutlichen Verlängerung der Lebenszeit machten aber zentrale Herausforderungen deutlich, so Jan Geißler, Vorsitzender von Leukaemie-Online.de / LeukaNET e. V.: „Zwar kann die regelmäßige Medikamenteneinnahme für viele Patientinnen und Patienten Chemotherapie und Stammzelltransplantation ersetzen, und eine frühzeitige Diagnose, regelmäßige Blutuntersuchungen und Therapietreue können den Betroffenen ein weitgehend normales Leben ermöglichen.“ Dennoch bleibe eine Krebserkrankung – und damit auch die CML – ein tiefgreifender Einschnitt in die gesamte Lebenssituation und Zukunftsplanung der Betroffenen, und ohne eine konsequente Therapie bleibe sie ein „Killer“. „Neben den massiven Beeinträchtigungen durch Erkrankung und Therapie müssen die Patientinnen und Patienten gravierende soziale, psychische und zum Teil auch finanzielle Belastungen bewältigen“, so Geißler weiter.
Mit eigenen Erfahrungen andere unterstützen: CML aus Sicht einer Selbsthilfeorganisation
In diesem Zusammenhang verdeutlichte Peter Gomolzig, Vorsitzender der Deutschen Leukämie- & Lymphom-Hilfe e. V. (DLH), den hohen Stellenwert der Selbsthilfe, gerade bei einer seltenen Erkrankung wie der CML. In Zeiten des allgegenwärtigen Internets sei es für Patientinnen und Patienten, die mit der Diagnose Blutkrebs konfrontiert werden, außerordentlich wichtig, kompetente und seriöse Unterstützung durch gleichermaßen Betroffene zu erhalten, die nicht durch wirtschaftliche Interessen beeinflusst ist.
„Durch die enormen Fortschritte in der Behandlung der CML hat sich nicht nur die Prognose für die Patientinnen und Patienten dramatisch verbessert. Es ändern sich auch die Schwerpunkte der Selbsthilfearbeit. Bis vor wenigen Jahren war die größte Sorge unserer Patientinnen und Patienten noch: ‚Werde ich das überleben und wenn ja, wie lange?‘. Mittlerweile lautet die Frage eher: ‚Wie werde ich das überleben?’. Dabei rücken Nebenwirkungen, Langzeitfolgen und Lebensqualität – unter gegebenenfalls lebenslanger Medikation – in den Vordergrund.“
Gleichzeitig steige laut Gomolzig das Risiko, die Erkrankung zu unterschätzen. Gut therapierbar bedeute eben nicht automatisch ungefährlich. So wachse bei einigen Patientinnen und Patienten die Versuchung, eine Behandlung mit vermeintlich „sanfteren“, aber ungeeigneten Methoden in Erwägung zu ziehen. Auch hier leistet die Selbsthilfe wertvolle und glaubwürdige Aufklärungsarbeit.
„Mama, das wird schon. Ich hab' doch nur CML“: Aus der Perspektive eines Teenagers
Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist die CML ein sehr seltenes Ereignis. In dieser Alterskohorte treten jährlich 15 bis 20 Neuerkrankungen auf. Der 16-jährige Yunus Borowczak erkrankte im Jahr 2013 an CML. Nach der Diagnose in den Tagen auf der Kinderkrebsstation hatten Yunus und seine Eltern erfahren, dass es aggressivere Krebsarten gibt. „Da habe ich gesagt: Mama, das wird schon. Ich habe doch nur CML.“ Eine große Sorge seien für ihn die möglichen Folgen der Langzeiteinnahme von TKI. „Meine Eltern und ich machen uns schon eine Menge Gedanken, mit welchen Langzeitnebenwirkungen oder Langzeitfolgen ich vielleicht später einmal zu kämpfen habe.“ Darüber hinaus setzt sich Yunus beispielsweise viel mit der Frage auseinander, ob ihm ein offener Umgang mit der CML gegenüber Lehrern und Mitschülern in seiner neuen Schule Nachteile in seiner späteren beruflichen Laufbahn bringen könnte. „Vor möglichen Nachteilen habe ich schon Angst, aber ich möchte auch auf jeden Fall neu diagnostizierten Kindern und Jugendlichen Mut machen. Die Entscheidung, nicht oder öffentlich über meine CML zu sprechen, fällt mir nicht immer leicht.“
Über die DGHO - Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. besteht seit 80 Jahren und hat heute mehr als 3.200 Mitglieder, die in der Erforschung und Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen tätig sind. Mit ihrem Engagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, mit der Erstellung der Onkopedia-Leitlinien, mit der Wissensdatenbank, mit der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsseminaren sowie mit ihrem gesundheitspolitischen Engagement fördert die Fachgesellschaft die hochwertige Versorgung von Patientinnen und Patienten im Fachgebiet.
Pressemappe als ZIP-Datei zum Downloaden:
Digitale Pressemappe CML.zip
Pressemitteilung als PDF-Datei zum Downloaden: