Krebskliniken im Schwitzkasten eines Medikamentenherstellers
Seit mehreren Jahren gibt es wiederholt Engpässe bei Arzneimitteln gegen Krebs und andere lebensbedrohliche Erkrankungen. Die Gründe sind vielfältig. Sie reichen von Problemen bei der Herstellung bis zur Rückgabe der Zulassung aus wirtschaftlichen Gründen. Das Krebsmedikament Carmustin wird seit mehr als 40 Jahren in der Behandlung von bösartigen Tumoren eingesetzt. Es ist heute ein fester und unersetzbarer Bestandteil der vorbereitenden Chemotherapie vor autologen Blutstammzelltransplantationen. Vor allem Kinder und Erwachsene mit aggressivem Lymphknotenkrebs sind darauf angewiesen. Der frühere Inhaber des Medikamentes hatte die Lizenz für Carmustin 2013 abgegeben. Seither gibt es weltweit nur einen einzigen Hersteller. Im gleichen Zeitraum kam es immer wieder zu drastischen Preissteigerungen für dieses Arzneimittel. Seit erneutem Wechsel des Alleinimporteurs für Deutschland Anfang 2018 hat sich der Preis für Carmustin nochmals stark erhöht und beträgt mittlerweile mehr als das 40-Fache des Preises von vor 2013!
Tumorkliniken und die betroffenen Krebspatienten sind dieser monopolistischen Preisgestaltung hilflos ausgeliefert. Sie bedeutet für die Kliniken eine dramatische finanzielle Mehrbelastung, die im aktuellen Vergütungssystem dazu führt, dass autologe Blutstammzelltransplantationen mit Carmustin nicht mehr kostendeckend durchgeführt werden können. Jede einzelne Transplantation führt derzeit zu einem Verlust von mehreren tausend Euro für die transplantierende Klinik. Prof. Dr. med. Nicolaus Kröger, Sprecher der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation e.V. (DAG-KBT): „Eine derart rasante Kostensteigerung ist durch die aktuellen Vergütungsmechanismen im DRG-System nicht aufzufangen. Diese Risiken können nicht von den Krankenhäusern getragen werden. Für Medikamente dieser Art muss eine dynamische Refinanzierung ins Vergütungssystem implementiert werden!“
Prof. Dr. med. Michael Hallek, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, weist darauf hin, dass insbesondere die Monopolisierung in der Herstellung von Arzneimitteln mit abgelaufenem Patentschutz zu einer hohen Abhängigkeit führt: „Hier müssen wir gemeinsam mit der Politik dafür sorgen, dass eine Balance zwischen einem auskömmlichen Mindestpreis und dem Schutz vor unkalkulierbaren Preisexplosionen gefunden wird. Einerseits muss es sich lohnen, die Medikamente sicher und in hoher Qualität herzustellen. Andererseits dürfen Herstellungsmonopole nicht zulasten solidarischer Gesundheitssysteme und zulasten von Krebspatienten missbraucht werden, wenn der Patentschutz abgelaufen ist. Der neu installierte ‚Jour Fixe zu Liefer- und Versorgungsengpässen‘ des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit Beteiligung der wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Erarbeitung gemeinsamer Lösungen.“
DGHO, DAG-KBT, die Arbeitsgemeinschaft Zelltherapie der Deutschen Lymphom-Allianz (GLA) und die Patientenorganisation Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe (DLH) fordern von der Politik weitere Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung mit unverzichtbaren Krebsmedikamenten auf nationaler und auf europäischer Ebene.
Über die DGHO
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. besteht seit über 80 Jahren und hat heute mehr als 3.300 Mitglieder, die in der Erforschung und Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen tätig sind. Mit ihrem Engagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, mit der Erstellung der Onkopedia-Leitlinien, mit der Wissensdatenbank, mit der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsseminaren sowie mit ihrem gesundheitspolitischen Engagement fördert die Fachgesellschaft die hochwertige Versorgung von Patientinnen und Patienten im Fachgebiet.
Über die DAG-KBT
Die Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation e.V. ist ein Vereinigung, die innerhalb der Fachgesellschaften DGHO und GPOH (Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie) die stammzelltransplantierenden Ärztinnen/Ärzte und Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler vertritt. Ziel und Zweck der Arbeitsgemeinschaft ist es, auf wissenschaftlicher Basis die Behandlungsmöglichkeiten und -ergebnisse für die Stammzelltransplantation kontinuierlich zu verbessern und die Qualität der Stammzellgewinnung und Prozessierung zellulärer Produkte zu optimieren.
Über die Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe
Die Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe e.V. (DLH) ist der Bundesverband der Selbsthilfeorganisationen zur Unterstützung von Erwachsenen mit Leukämien und Lymphomen. Sie wurde im Jahr 1995 gegründet und vertritt heute bundesweit knapp 100 Selbsthilfegruppen und -vereine. Neben der Unterstützung und Förderung lokaler und regionaler Selbsthilfeinitiativen sind die Erstellung qualitativ hochwertiger, patientenverständlicher Informationsmaterialien sowie die Interessenvertretung der Patienten (u.a. G-BA, IQWiG, Leitlinien-Projekte) weitere Arbeitsschwerpunkte. Betroffene, Angehörige und Interessierte finden bei der DLH Patientenbeistand, kompetente Ansprechpartner bei allen Fragen zu Krankheitsbildern, Therapien oder lokale Anlaufstellen. Der jährliche bundesweite DLH-Patientenkongress mit regelmäßig etwa 500 bis 600 Teilnehmern bietet Informationen zu den neuesten medizinischen Entwicklungen sowie Erfahrungsaustausch zwischen Betroffenen.
Über die Deutsche Lymphom-Allianz
Ziel der Deutschen Lymphom-Allianz ist es, die erfolgreiche Arbeit der verschiedenen Studiengruppen (Deutsche Studiengruppe für niedrigmaligne Lymphome, Deutsche Studiengruppe Hochmaligne Non-Hodgkin Lymphome, WP-Lymphome Ostdeutsche Studiengruppe für Hämatologie und Onkologie) fortzusetzen und die Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten mit Lymphomerkrankungen zu verbessern.
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