Mehr Wissenschaft, mehr Hoffnung – Virtuelle Jahrestagung setzt Zeichen
In diesem Jahr ist vieles anders: Auch bei der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie sorgte die COVID-19-Pandemie für ein deutlich verändertes Setting und die Verlagerung in den virtuellen Raum. Unter dem Motto „Mehr Wissenschaft, mehr Hoffnung“ diskutierten über 4.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an zweieinhalb Tagen in Livestream-Sessions, folgten wissenschaftlichen Online-Symposien oder sahen Abstract-Präsentationen in vorab aufgezeichneten Videos. Das gemeinschaftliche Fazit der ausrichtenden Fachgesellschaften fällt sehr positiv aus: Trotz schwieriger Voraussetzungen ist es gelungen, hochwertige Wissenschaft, Fortbildung und Interaktion zu verbinden und ein starkes Signal in die Fachcommunity sowie an die Patientinnen und Patienten zu senden. In Zeiten einer Pandemie, die auch die Krebstherapie vor neue Herausforderungen stellt, wird der ländergreifende Austausch umso wichtiger.
Doppeltes Motto
„Wir hätten kein besseres Motto finden können“, resümierte Prof. Dr. med. Markus Manz, der diesjährige Kongresspräsident, der auch der SGH/SSH vorsteht und als Direktor der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie am Universitätsspital Zürich tätig ist. „Mehr Wissenschaft, mehr Hoffnung“ kann auch gelesen werden als „Mehr Wissen schafft mehr Hoffnung“. Erdacht wurde die Leitidee für die Jahrestagung noch vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie. Sie sah vor, die rasante Dynamik in der Präzisionsdiagnostik und -therapie zu adressieren. „Es konnte niemand ahnen, dass dieses Motto noch eine zweite Bedeutung bekommen würde. Gerade jetzt braucht es die Wissenschaft, damit wir Hoffnung haben können, die Pandemie zu bewältigen“, so Manz. Evidenzbasierte Wissenschaft lerne stetig dazu und adjustiere so Konzepte immer wieder neu. „In unserem Beruf sind wir es gewohnt, mit unsicheren Situationen umzugehen, unsere Kolleginnen und Kollegen haben gerade in den letzten Monaten viel geleistet. Diese offene Herangehensweise haben wir auch mit Blick auf den Kongress beherzigt.“
Große Beteiligung, neue Online-Serviceangebote
Der wichtigste wissenschaftliche Kongress für das Fachgebiet der Hämatologie und Medizinischen Onkologie im deutschsprachigen Raum betrat mit seiner ersten virtuellen Ausgabe neues Terrain. Eine Absage sei nie in Frage gekommen, auch eine reine Fortbildungsveranstaltung habe nicht zur Debatte gestanden, so der Kongresspräsident. Natürlich mussten Verdichtungen und Veränderungen am Programm vorgenommen werden. Veranstaltungen fanden in Form von Livestreams, Vorabaufzeichnungen und interaktiven Diskussionssessions statt – den Anstrengungen der länderübergreifenden Programmkomitees, in denen sich 411 Mitglieder der Fachgesellschaften engagierten, sei Dank. 250 unabhängige Gutachter bewerteten 515 eingereichte Abstracts und wählten die sechs besten Arbeiten aus. Über 4.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 12 Ländern hatten sich registriert, davon 436 für den Pflegekongress.
Einen zusätzlichen Service hat das virtuelle Format in diesem Jahr zu bieten: Alle Vorträge, Präsentationen und Diskussionen wurden aufgezeichnet und können von registrierten Nutzern bis Ende Oktober flexibel abgerufen werden. Das gilt auch für die Abstractpräsentationen, die als On-Demand-Videos zur Verfügung stehen.
Diskurs und Kollaboration
„Der Kongress wird für den Fortschritt in der Behandlung unserer Patientinnen und Patienten ebenso wichtig sein wie die vorangegangenen Jahrestagungen“, ist sich Prof. Dr. med. Lorenz Trümper, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Göttingen, sicher. „Es war die richtige Entscheidung, auf einen wissenschaftlichen Schwerpunkt zu setzen. Die Qualität hat überzeugt – das haben uns insbesondere auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmern rückgemeldet“, so Trümper. „Kaum ein Feld nimmt derzeit eine so dynamische Entwicklung wie die Hämatologie und Medizinische Onkologie. Ein regelmäßiger wissenschaftlicher Diskurs über neue Entwicklungen und Daten, Forschungs- und Therapieansätze und gesundheitspolitische Rahmenbedingungen ist deshalb unabdingbar. Gerade in einem Jahr wie diesem.“ Ein zentrales Thema war denn auch die Auseinandersetzung mit SARS-CoV-2 / COVID-19 als neuem Komorbiditätsfaktor in der Therapie von hämatologischen und onkologischen Erkrankungen. Dazu fanden am Sonntag zwei Plenarsitzungen statt. Darüber hinaus gehörten die Präzisions- und Immunonkologie und die Chancen der CAR-T-Zell-Therapie zu den Schwerpunkten des Kongresses, ebenso neue Herausforderungen im Bereich nicht-bösartiger Bluterkrankungen, die sich unter anderem durch die Migration zunehmend stellen.
„Auch der Pflegekongress reflektiert, wie wir mit unseren Partnerinnen und Partnern im Gesundheitssystem zusammenarbeiten und noch enger zusammenwachsen wollen. Und wir haben zudem Themen wie das Gender-Gap in Führungspositionen beleuchtet“, ergänzte Prof. Dr. med. Wolfgang Hilbe, Präsident der OeGHO und Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung – Zentrum für Onkologie und Hämatologie mit Ambulanz und Palliativstation am Wilhelminenspital in Wien.
Für alle vier Schwestergesellschaften fasste Hilbe zusammen: „Es ist uns gelungen, hochwertige Wissenschaft, Fortbildung und Interaktion zu liefern und ein Zeichen zu setzen, dass wir auch in schwierigen Zeiten länderübergreifend zusammenhalten und hervorragend zusammenarbeiten.“
Prämierte Preisträger und Preisträgerinnen
Jedes Jahr aufs Neue unterstreichen die Fachgesellschaften, dass ihnen die Förderung des wissenschaftlichen und ärztlichen Nachwuchses ein großes Anliegen ist. Traditionell nutzen sie die gemeinsame Jahrestagung, um exzellente wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Hämatologie und Medizinischen Onkologie auszuzeichnen. 2020 wurden folgende Preise verliehen:
Artur-Pappenheim-Preis (DGHO)
- Gebiet: Klinische, experimentelle oder theoretische Fragen der Hämatologie
- Preisträger: PD. Dr. med. Lorenz Thurner, Universitätsklinikum des Saarlandes und Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes, Homburg
- Arbeit: „Die Rolle spezifischer B-Zell-Rezeptor-Zielantigene in der Entstehung von B-Zell-Neoplasien“
- Dotierung: 7.500 Euro
Vincenz-Czerny-Preis (DGHO)
- Gebiet: Klinische, experimentelle oder theoretische Fragen der Onkologie
- Preisträgerin: Laura Hinze, Medizinische Hochschule Hannover
- Arbeit: „Mechanismen der Asparaginase Resistenz in malignen Zellen“
- Dotierung: 7.500 Euro
Doktoranden-Förderpreis (DGHO)
- Gebiet: Studienarbeiten oder Dissertationen der Hämatologie und / oder Internistischen Onkologie in den Fächern Medizin, Pharmazie oder Biologie
- Preisträger: Dr. med. Lino Möhrmann, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen, Dresden
- Arbeit: „Biologie und prognostische Bedeutung disseminierter kolorektaler Tumorzellen und deren Bestandteile im Knochenmark und im peripheren Blut“
- Dotierung: 3.000 Euro
Wolfgang Denk-Preis (OeGHO)
- Gebiet: Klinische Onkologie
- Preisträgerin: Dr. med. Elisabeth Bergen, Medizinische Universität Wien
- Arbeit: „Continued endocrine therapy is associated with improved survival in patients with breast cancer brain metastases“
- Dotierung: 5.000 Euro
Prof. Dr. med. Bob Löwenberg wird DGHO-Ehrenmitglied
Auch in diesem Jahr würdigte die DGHO zudem eine besondere Persönlichkeit für ihr wissenschaftliches und ärztliches Lebenswerk und ihre herausragenden Verdienste um die Hämatologie und Medizinische Onkologie. Im Rahmen einer virtuellen Plenarsitzung erhielt Prof. Dr. med. Bob Löwenberg die DGHO-Ehrenmitgliedschaft. Er ist Professor für Hämatologie an der Erasmus Universität im niederländischen Rotterdam. Seine Forschungsarbeit fokussiert auf die Pathobiologie, Diagnostik und Therapie der akuten myeloischen Leukämie. Seine Bedeutung, auch für die deutsche Hämatologie, reicht weit darüber hinaus. Über viele Jahre war er Chefredakteur der renommiertesten internationalen Hämatologie-Fachzeitschrift „Blood“. Er hatte verschiedene leitende Positionen inne, ist unter anderem Mitgründer sowie ehemaliger Präsident der European Hematology Association (EHA) und hat nach Ansicht der DGHO einen enormen Anteil daran, dass sich die Hämatologie zu so einer so starken akademischen Disziplin in Deutschland und Europa entwickelt hat. Löwenberg bedankte sich in einer Video-Botschaft für die besondere Ehre und verwies dabei auf seine langjährig intensiven wissen¬schaftlichen und freundschaftlichen Kontakte nach Deutschland sowie seine persönliche Familiengeschichte. Seine Eltern stammten aus dem norddeutschen Jever, mussten 1933 in die Niederlande emigrieren und überlebten den Holocaust dort im Untergrund.
Ausblick 2021
Die Jahrestagung für das kommende Jahr ist bereits terminiert – sie soll vom 1. bis 4. Oktober 2021 in Berlin stattfinden. Als Kongresspräsident wird Prof. Dr. med. Andreas Mackensen, Direktor der Medizinischen Klinik 5 – Hämatologie und Internistische Onkologie des Universitätsklinikums Erlangen, fungieren. „Bei allen Unsicherheiten, die die Pandemie absehbar bereithalten wird: Wir sind zuversichtlich, dass 2021 wieder mehr persönlicher Austausch und direkte Begegnung möglich sein kann“, übergab Manz das Staffelholz für das nächste Jahr.
Ausführliche Informationen unter: www.haematologie-onkologie-2020.com
Über die DGHO
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. besteht seit über 80 Jahren und hat heute mehr als 3.600 Mitglieder, die in der Erforschung und Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen tätig sind. Mit ihrem Engagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, mit der Erstellung der Onkopedia-Leitlinien, mit der Wissensdatenbank, mit der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsseminaren sowie mit ihrem gesundheitspolitischen Engagement fördert die Fachgesellschaft die hochwertige Versorgung von Patientinnen und Patienten im Fachgebiet.
Über die OeGHO
Die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie hat sich zum Ziel gesetzt, die Betreuung von Patientinnen und Patienten österreichweit an den höchsten Standard heranzuführen. Die OeGHO zählt als Fachgesellschaft aktuell ca. 800 Mitglieder, von denen ein Großteil Fachärzte oder Fachärztinnen für Innere Medizin mit Additivfach Hämatologie und Internistischer Onkologie sind. Neben der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften, der Festlegung von Standards für die Facharztausbildung und Ausbildungsstätten und der Erarbeitung von Leitlinien will die OeGHO die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen allen an der Krebstherapie Beteiligten und die Forschung auf dem Gebiet der Hämatologie und Onkologie aktiv fördern.
Über die SGMO
Die Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie (SGMO) vereinigt als medizinische Fachgesellschaft Ärztinnen und Ärzte, die auf die Erforschung, Diagnose und Behandlung bösartiger solider Tumoren und hämato-onkologischer Erkrankungen spezialisiert sind. Seit der Gründung der SGMO im Jahre 1999 hat ihre Mitgliederzahl stetig zugenommen und erreicht heute 401 ordentliche und außerordentliche Mitglieder. Die SGMO vertritt die standespolitischen Interessen der medizinischen Onkologen und setzt sich für Forschung, Weiter- und Fortbildung ein.
Über die SGH/SSH
Die Schweizerische Gesellschaft für Hämatologie (SGH) ist die medizinische Fachgesellschaft der Ärztinnen und Ärzte mit dem Facharzttitel Hämatologie. Sie hat folgende Zielsetzungen: Die Förderung der Hämatologie in der Schweiz, die Forschungsförderung, die Weiter- und Fortbildung und die Wahrung der beruflichen Interessen der Hämatologen in der Schweiz sowie die Förderung der Kollegialität unter den Mitgliedern. Die SGH zählt derzeit 320 Mitglieder.
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