Vier Tage lang Crowd-Intelligenz für die Hämatologie und Medizinische Onkologie
Innovationstreiber Immuntherapie
„2014 fand die Jahrestagung zum letzten Mal in Hamburg statt – mit dem Schwerpunkt Immuntherapie und ersten klinischen Erfolgen mit Checkpoint-Inhibitoren. Fast zehn Jahre später sind wir erneut in der Hansestadt zu Gast, und die Immuntherapie steht wieder und immer noch im Mittelpunkt“, eröffnete Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer, der gemeinsam mit Prof. Dr. med. Claudia Baldus die Kongresspräsidentschaft übernommen hatte, die Jahrestagung. Die Immuntherapie ziehe sich wie ein roter Faden durch den Kongress und stehe stellvertretend für die enorme Innovationskraft des Fachgebiets.
„Nie waren die Möglichkeiten in unserem Fachbereich so erfolgversprechend, nie inhaltlich so umfangreich und nie so rasch im Wandel wie heute“, konstatierte der Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik für Onkologie, Hämatologie, Knochenmarktransplantation mit Abteilung für Pneumologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Als Beispiel nannte er die Zahl der Medikamente, die 2021 neu oder in neuer Indikation zugelassen wurden: „Es waren 50 – also quasi eines pro Woche.“ Die tägliche klinische Umsetzung dieser Innovationen sei eine konstante Herausforderung. Zudem wachse auch das dafür notwendige Wissen stetig an. „Die Hämatologie und Medizinische Onkologie steht im Zentrum der innovativsten Fächer der modernen Medizin. Wir sollten alles dafür tun, um auch künftig die neuen Entwicklungen der Krebsmedizin für unsere Patientinnen und Patienten aktiv zu gestalten“, so Bokemeyer. Sein Appell an die Mitglieder der Fachgesellschaften: „Setzen Sie sich auch zukünftig mit einem ‚Wumms‘ für die Belange unseres Fachs in der Breite ein. Diese Jahrestagung lebt von der Crowd-Intelligenz zahlreicher Be-teiligter.“
Blick über den Tellerrand
Co-Kongresspräsidentin Prof. Dr. med. Claudia Baldus, Direktorin der Klinik für Innere Medizin II mit den Schwerpunkten Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) am Campus Kiel, unterstrich, dass dazu auch gehöre, über den Tellerrand und in die Gesellschaft zu schauen. „Wir freuen uns sehr, dass wir mit Prof. Dr. Mojib Latif einen national wie international renommierten Klimaforscher für eine Keynote gewinnen konnten, der uns in eine ganz andere Dimension ‚einnordete‘.“ Latif, der in seinem Vortrag den Klimawandel als „eine der größten Herausforderungen, vor denen die Menschheit jemals gestanden hat“ bezeichnete, schlug natürlich auch den Bogen zur Medizin und den „ungesunden“ Folgen eines Temperaturanstiegs.
Das Themenspektrum auf der Jahrestagung 2023 reichte von innovativer Diagnostik, die immer relevanter für die präzise Therapiesteuerung wird, bis hin zu chemotherapiearmen Konzepten, Langzeit-Toxizität, Krebs bei jungen Erwachsenen, CAR-T-Zellen, Hämostasiologie, Palliativmedizin etc. „Aber natürlich arbeiten wir nicht im luftleeren Raum, sondern bewegen uns mit vielen Themen auch im politischen Umfeld“, betonte Prof. Dr. med. Hermann Einsele, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Würzburg. Dazu zählt unter anderem die frühe Nutzenbewertung von Arzneimitteln, die ab 2025 für Onkologika auf EU-Ebene vorgenommen wird und auch auf dem Kongress für viel Gesprächsstoff sorgte.
Augenmerk auf Nachwuchsgewinnung
Besonderen Raum nahm zudem das Thema „Zukunftssicherung“ ein. „Angesichts des demografischen Wandels und der zu erwartenden Zunahme von Krebserkrankungen ist es umso wichtiger, junge Medizinerinnen und Mediziner zu fördern. Die Hämatologie und Medizinische Onkologie ist hochspannend, wird aber auch zunehmend komplexer. Daher ist es unsere Aufgabe, junge Kolleginnen und Kollegen für unser Fachgebiet zu gewinnen und sie sehr früh abzuholen. Die Corona-Pandemie hat den Nachwuchs besonders getroffen und hier eine Lücke gerissen, die wir füllen müssen“, sagte Prof. Dr. med. Ewald Wöll, Präsident der OeGHO und Ärztlicher Direktor / Ärztlicher Leiter Innere Medizin des Krankenhauses St. Vincenz in Zams.
In diesem Zusammenhang sei gerade auch der Blick auf den weiblichen Nachwuchs zentral, ergänzte Einsele. „Der Anteil der Medizinstudentinnen liegt schon seit Jahren deutlich über 50 Prozent, das spiegelt sich ebenso im Bereich Assistenz wider. Auch die DGHO und unsere Jahrestagung werden weiblicher. Vor kurzem haben wir das 4.000 Mitglied begrüßt, schon seit Jahren nehmen wir stets mehr Ärztinnen als Ärzte auf. Und von den über 6.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern hier im Congress Center in Hamburg sind 53 Prozent Frauen“, legte Einsele einige aktuelle Zahlen vor. „Wir müssen den Beruf für Frauen noch attraktiver machen und junge Ärztinnen motivieren, sich mit der Hämatologie und Medizinischen Onkologie zu identifizieren und dem Fach anschließend treuzubleiben.“
Ausgezeichnete junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
Welche Unterstützung erhält die nächste Generation von Ärztinnen und Ärzten ganz konkret von den Fachgesellschaften? Sie bieten zum Beispiel eigene Arbeitsgruppen an, so etwa die Junge DGHO oder die Young Hematologists & Oncologists Group Austria (YHOGA). Promotionsstipendien fördern vielversprechende Talente – in diesem Jahr vermeldete die DGHO einen neuen Rekord an Einreichungen. Im Rahmen der Jahrestagung fand ein eigener Studententag statt, der in diesem Jahr über 100 Studierende anzog. Und: Die verschiedenen Nachwuchspreise, die auf der Jahrestagung verliehen werden, honorieren herausragende wissenschaftliche Arbeiten.
Vincenz-Czerny-Preis (DGHO)
Gebiet: Klinische, experimentelle oder theoretische Fragen der Onkologie
Dotierung: 7.500 Euro
- Preisträger: Dr. med. Joseph Tintelnot, Hamburg
- Arbeit: „Microbiota-derived 3-IAA influences chemotherapy efficacy in pancreat-ic cancer“
- Journal: Nature
- Link zur Publikation: https://doi.org/10.1038/s41586-023-05728-y
Artur-Pappenheim-Preis (DGHO)
Gebiet: Klinische, experimentelle oder theoretische Fragen der Hämatologie
Dotierung: 7.500 Euro
- Preisträger: Dr. med. Florian Perner, Greifswald
- Arbeit: „Homozygous Menin-Inhibitoren als neue zielgerichtete Therapeutika in akuten Leukämien“
- Journal: Nature, Cancer Discovery
Doktoranden-Förderpreis (DGHO)
Gebiet: Studienarbeiten oder Dissertationen der Hämatologie und / oder Internisti-schen Onkologie in den Fächern Medizin, Pharmazie oder Biologie
Dotierung: 3.000 Euro
- Preisträger: Peter-Martin Bruch, Düsseldorf
- Arbeit: „Die systematische Integration von genetischen Faktoren, Signalen des Mikromilieus und Medikamentenvulnerabilitäten in lympho-proliferativen primären Patientenzellen“
- Journal: Molecular Systems Biology, Nature Cancer
- Preisträger: Dr. rer. nat. Maximilian Schönung, Heidelberg
- Arbeit: „DNA methylation dynamics of steady state and malignant hematopoie-sis“
Wolfgang Denk-Preis (OeGHO)
Gebiet: Klinische Onkologie
Dotierung: 5.000 Euro
- Preisträgerin: Dr. Lena Horvath, Innsbruck
- Arbeit: „High-resolution single-cell atlas reveals diversity and plasticity of tissue-resident neutrophils in non-small cell lung cancer“
- Journal: Cancer Cell
- Link zur Publikation: https://doi.org/10.1016/j.ccell.2022.10.008
Wilhelm Türk-Preis (OeGHO)
Gebiet: Klinische Hämatologie
Dotierung: 5.000 Euro
- Preisträger: Johannes Schmöllerl, PhD, Wien
- Arbeit: „EVI1 drives leukemogenesis through aberrant ERG activation“
- Journal: Blood
- Link zur Publikation: https://doi.org/10.1182/blood.2022016592
Ehrung für Koryphäen der Immuntherapie
Auch die Verleihung der DGHO-Ehrenmitgliedschaft stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der Immuntherapie. Mit Prof. Stanley Riddell, Prof. Alejandro Madrigal und Prof. Dr. Christoph Huber nahm die DGHO gleich drei herausragende Persönlichkeiten in den Kreis ihrer Ehrenmitglieder auf, die als weltweit führend auf dem Gebiet der Immunologie gelten. Riddell, der einen Lehrstuhl an der University of Washington School of Medicine hat und am Fred Hutchinson Cancer Center an langlebigen T-Zellen forscht, ist Experte für die Behandlung von Lymphomen und des myelodysplastischen Syndroms. Madrigal, Gründer und erster Wissenschaftlicher Direktor des Anthony Nolan Research Institute und Professor am University College London (UCL), hat sich um die Forschung zur Stammzelltransplantation verdient gemacht. Das dritte DGHO-Ehrenmitglied widmete sein berufliches Leben nicht nur dem Kampf gegen den Krebs. Hubers Forschungsergebnisse bildeten auch eine maßgebliche Grundlage für die Entwicklung eines mRNA-Impfstoffs gegen COVID-19. Der langjährige Direktor der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz ist Mitgründer des Unternehmens BioNTech.
Nach dem Kongress ist vor dem Kongress: Jahrestagung 2024 in Basel
„Die Vernetzung zwischen der Schweiz, Österreich und Deutschland ist für uns ein absoluter Winner“, lautete das Fazit von OeGHO-Präsident Wöll zur Jahrestagung 2023. „Wir kooperieren in ganz vielen Dingen und können sehr viel voneinander lernen.“
Die Planungen für 2024 laufen bereits. Im kommenden Jahr wird die Jahrestagung vom 11. bis 14. Oktober in Basel stattfinden. Die Organisation und Programmgestaltung liegt bei Prof. Dr. med. Anne Angelillo-Scherrer und Prof. Dr. med. Peter Bossart, die 2024 gemeinsam die Kongresspräsidentschaft innehaben werden. „In Basel wird es natürlich auch um Innovation, Interdisziplinarität und Spitzenforschung gehen. Eine Neuerung: Unsere Nachwuchskräfte werden erstmals aktiv in die Programmgestaltung eingebunden werden“, ergänzte Angelillo-Scherrer, Präsidentin der SGH und Klinikdirektorin und Chefärztin, Universitätsklinik für Hämatologie und Hämatologisches Zentrallabor, Inselspital Bern.
Ausführliche Informationen unter: https://www.jahrestagung-haematologie-onkologie.com/
Über die DGHO
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. besteht seit über 80 Jahren und hat heute mehr als 4.000 Mitglieder, die in der Erforschung und Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen tätig sind. Mit ihrem Engagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, mit der Erstellung der Onkopedia-Leitlinien, mit der Wissensdatenbank, mit der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsseminaren sowie mit ihrem gesundheitspolitischen Engagement fördert die Fachgesellschaft die hochwertige Versorgung von Patientinnen und Patienten im Fachgebiet.
Über die OeGHO
Die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie hat sich zum Ziel gesetzt, die Betreuung von Patientinnen und Patienten österreichweit an den höchsten Standard heranzuführen. Die OeGHO zählt als Fachgesellschaft aktuell ca. 830 Mitglieder, von denen ein Großteil Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin mit Additivfach Hämatologie und Internistischer Onkologie sind. Neben der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften, der Festlegung von Standards für die Facharztausbildung und Ausbildungsstätten und der Erarbeitung von Leitlinien will die OeGHO die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen allen an der Krebstherapie Beteiligten und die Forschung auf dem Gebiet der Hämatologie und Onkologie aktiv fördern.
Über die SGMO
Die Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie (SGMO) ist der Be-rufsverband und die Fachgesellschaft der Ärztinnen und Ärzte mit dem Facharzttitel Medizinische Onkologie. Die SGMO zählt aktuell 405 Mitglieder, hat gemeinnützigen Charakter und verfolgt keine wirtschaftlichen Ziele. Zu den Aufgaben der SGMO gehören insbesondere:
- Die Medizinische Onkologie in der Schweiz wissenschaftlich und praktisch zu fördern
- Die Weiter- und Fortbildung für Medizinische OnkologInnen zu regeln und zu gewährleisten
- Die beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Medizinischen OnkologInnen in der Schweiz zu wahren
- Die Vernetzung von Medizinischen OnkologInnen untereinander sowie mit anderen medizinischen Fachgebieten zu fördern
Über die SGH
Die Schweizerische Gesellschaft für Hämatologie (SGH) ist der Berufsverband und die Fachgesellschaft der Ärztinnen und Ärzte mit dem Facharzttitel Hämatologie. Die SGH zählt aktuell 319 Mitglieder, hat gemeinnützigen Charakter und verfolgt keine wirtschaftlichen Ziele. Zu den Aufgaben der SGH gehören insbesondere:
- Wahrung der Interessen der Hämatologinnen und Hämatologen in der Schweiz;
- Förderung der Hämatologie in der Schweiz;
- Regelung und Gewährleistung der Aus-, Weiter- und Fortbildung in Hämatologie in Zusammenarbeit mit anerkannten Weiterbildungsstätten;
- Förderung der Kollegialität unter den Mitgliedern
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