Hämatologie und Medizinische Onkologie 2024: Von Chancen und Herausforderungen künstlicher Intelligenz über gesundheitspolitische Fragen bis zu innovativen Therapieansätzen
Die Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie ist der größte Kongress für das Fachgebiet im deutschsprachigen Raum. Vom 11. bis 14. Oktober 2024 treffen sich rund 5.000 Expertinnen und Experten aus Medizin, Pflege und Gesundheitspolitik. Die 737 eingereichten wissenschaftlichen Beiträge und 1.300 Präsentationen im Rahmen von Vorträgen und Posterdiskussionen bieten ein umfangreiches Wissenschafts- und Fortbildungsprogramm.
„Aufgrund der COVID-19-Pandemie fand unsere gemeinsame Jahrestagung 2020 ausschließlich virtuell statt. In Präsenz sind wir letztmalig 2015 in Basel zusammengekommen. Umso mehr freuen wir uns über die einzigartige Gelegenheit, dass wir uns mit nationalen und internationalen Spezialistinnen und Spezialisten über die aktuellen Entwicklungen in der Diagnostik und Therapie von Blut- und Krebserkrankungen austauschen können. Viele der Impulse – sowohl für Wissenschaft und Forschung als auch für die klinische Versorgung unserer Patientinnen und Patienten – werden wir mit in unseren beruflichen Alltag nehmen“, betont Prof. Dr. med. Anne Angelillo-Scherrer, Klinikdirektorin und Chefärztin des Inselspitals Bern. Gemeinsam mit Prof. Dr. med. Peter Brossart, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Universitätsklinikum Bonn, hat Angelillo-Scherrer in diesem Jahr die gemeinsame Kongresspräsidentschaft inne.
Programm spiegelt Breite des Fachgebiets und dynamischen Wissenszuwachs wider
Für die Jahrestagung der deutschsprachigen Fachgesellschaften konnten viele nationale und internationale Spezialistinnen und Spezialisten für Vorträge und Diskussionen gewonnen werden. Dabei macht das Programm sowohl die Breite des Fachgebiets als auch den quantitativen und qualitativen Wissenszunahme deutlich.
„Im Fokus stehen unter anderem innovative Diagnostik- und multimodale Behandlungsmethoden, insbesondere im Bereich der Immuntherapien. Hier werden wir interdisziplinär und interprofessionell therapeutische Ansätze wie Immuncheckpoint-Inhibitoren, bispezifische Antikörper, CAR-T-Zelltherapien und Vakzinierungen diskutieren. Dabei zeigt das umfangreiche wissenschaftliche Programm, dass wir unser medikamentöses Behandlungsportfolio in den letzten Jahren deutlich erweitern konnten. Hier sind – auf genetischen Mutationen basierende und damit sehr gezielte – Ansätze beispielsweise beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom nur eine Entwicklung unter vielen. Das macht das immense Potenzial innovativer medikamentöser Therapien deutlich“, so Brossart.
Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz
Das Potenzial von Künstlicher Intelligenz (KI) wird derzeit in der Laien- und Fachöffentlichkeit breit diskutiert. Für die Medizin bieten KI-Systeme Chancen, indem sie Forschende und ärztlich Tätige dabei unterstützen, die kontinuierlich wachsenden Datenmengen zu analysieren und spezifische Muster zu erkennen, die für Diagnose, Therapie und Prognose relevant sind. Im Bereich von neuen Biomarkern kann Künstliche Intelligenz deren Entdeckung und Entwicklung beschleunigen, was eine präzisere Diagnostik und Therapie ermöglichen kann. KI-Systeme können zudem bei der Automatisierung von Arbeitsabläufen unterstützen und so repetitive und zeitaufwändige Aufgaben im klinischen Alltag effizienter gestalten, sodass für medizinisches Personal mehr Ressourcen für die direkte Patientenversorgung geschaffen werden können. Darüber hinaus kann Künstliche Intelligenz in der Wirkstoffentwicklung und zur Optimierung von klinischen Studien eingesetzt werden – beispielsweise durch die beschleunigte Analyse komplexer Daten und die Identifizierung von geeigneten Patientenkohorten.
Prof. Dr. med. Jakob Nikolas Kather, Professor für Künstliche Intelligenz in der Medizin an der Medizinischen Fakultät und Informatikfakultät der Technischen Universität Dresden und Vorsitzender des DGHO-Arbeitskreises ‚Künstliche Intelligenz in der Hämatologie und Onkologie‘, betont das Potenzial der Künstlichen Intelligenz, weist jedoch auch auf bestehende Herausforderungen hin: „Die Nutzung von Patientendaten in der KI-basierten Forschung bietet enorme Chancen, ist aber gleichzeitig mit Herausforderungen verbunden, insbesondere in Bezug auf Datenschutz und Datenqualität. Diese Aspekte unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in Forschung und Klinik. Übergeordnetes Ziel muss es sein, Konzepte in Diagnostik und Therapie zu optimieren und so die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten zu verbessern.“
Mit Blick auf die Chancen von KI-Systemen betont Prof. Dr. med. Andreas Hochhaus, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der Abteilung für Hämatologie und Internistische Onkologie am Universitätsklinikum Jena, dass Künstliche Intelligenz immer nur als ein unterstützendes Element verstanden werden dürfe. „Dass die Innovationssprünge der vergangenen Jahre das Spektrum unserer diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten deutlich erweitert haben, ist für die uns anvertrauten Patientinnen und Patienten ein sehr großer Gewinn. Klar ist aber auch: Im Zentrum der Versorgung steht die Beziehung jedes einzelnen Patienten zum ärztlichen und pflegerischen Personal. So kann Künstliche Intelligenz uns beispielsweise im Vorfeld der partizipativen Entscheidungsfindung bei unseren Überlegungen unterstützen. Das vertrauensvolle Gespräch, die gemeinsame Entscheidung und die ärztliche Intuition hingegen kann sie nicht ersetzen.“
Wohnortnahe Versorgung auf hohem medizinischem Niveau gefährdet
Dass das Gesundheitssystem der Bundesrepublik Deutschland in seiner Reaktion auf die rasante Innovationsgeschwindigkeit in der Hämatologie und Medizinischen Onkologie mitunter träge ist und die Versorgungsrealität nicht angemessen abbildet, macht Hochhaus am Beispiel der Krankenhausreform deutlich. Ziel der Bundesregierung ist es, eine qualitätsgesicherte stationäre Versorgung mit der Bündelung von personellen und finanziellen Ressourcen sicherzustellen und das System der Fallpauschalen (DRG) durch eine Vorhaltevergütung abzulösen. „Wir begrüßen die Intention der Politik, sehen bei der Umsetzung des Modells in Nordrhein-Westfalen aber deutlichen Nachjustierungsbedarf. Denn: Moderne Therapieverfahren wie die CAR-T-Zell¬therapie, der Einsatz von bispezifischen Antikörpern oder gentherapeutische Ansätze sind in den Leistungskatalogen nicht ausreichend abgebildet. Hier fordern wir eine Korrektur, die Implementierung des Leistungsbereichs ‚Komplexe medizinische Onkologie‘ und die Aufnahme der Hämostaseologie als Querschnittsfach.“
Mit Blick auf die von den Kliniken beantragten und die letztlich zugeteilten Zahlen wird deutlich, dass die wohnortnahe Versorgung von Patientinnen und Patienten mit hämatologischen und onkologischen Erkrankungen auf dem derzeitigen medizinischen Niveau gefährdet ist. Grund hierfür sind unter anderem Fehlannahmen bezüglich des Bedarfs und fachlich nicht nachvollziehbare Zuteilungen der zuständigen Behörden. Ziel muss die Gewährleistung der wohnortnahen und intersektoralen hämatologischen und onkologischen Versorgung in einem Gesamtkonzept und die Sicherung der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sein. „Die DGHO wird sich sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene weiterhin um eine intensive Diskussion mit den relevanten Entscheidungsträgern bemühen“, so Hochhaus.
Balance zwischen medizinisch Machbarem, Ethik und Ökonomie
Das ‚Österreichische Onkologie Forum‘ thematisiert auf der Jahrestagung die Qualität der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Blut- und Krebserkrankungen in Österreich. Ziel des Projekts ist es, die Versorgung anhand anerkannter Qualitätsindikatoren aus klinischer Perspektive zu analysieren. Dabei werden Aspekte wie Screening, Diagnostik, Behandlung, Pflege, klinische Studien, Palliativmedizin und Rehabilitation ebenso wie sozioökonomische Faktoren beleuchtet. Darüber hinaus wird das Thema des Personalmangels in die Analyse einbezogen. „Ein Schwerpunkt der Diskussionen wird es sein, inwieweit administrative Hürden bei der Verordnung innovativer Arzneimittel zu überwinden sind“, so Univ. Prof. Dr. med. Ewald Wöll, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie und Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin am Krankenhaus St. Vinzenz in Zams. „Der österreichweit einheitliche Zugang zu evidenzbasierter Behandlung, die Bedeutung standardisierter Dokumentation, der Ausbau der Digitalisierung und eine bessere Vernetzung mit Hausärzten sind zentrale Themen für eine umfassende Verbesserung der Krebsversorgung.“
Ausführliche Informationen unter: https://www.jahrestagung-haematologie-onkologie.com/
Über die DGHO
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. besteht seit 85 Jahren und hat heute mehr als 4.000 Mitglieder, die in der Erforschung und Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen tätig sind. Mit ihrem Engagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, mit der Erstellung der Onkopedia-Leitlinien, mit der Wissensdatenbank, mit der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsseminaren sowie mit ihrem gesundheitspolitischen Engagement fördert die Fachgesellschaft die hochwertige Versorgung von Patientinnen und Patienten im Fachgebiet.
Über die OeGHO
Die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie hat sich zum Ziel gesetzt, die Betreuung von Patientinnen und Patienten österreichweit an den höchsten Standard heranzuführen. Die OeGHO zählt als Fachgesellschaft aktuell deutlich über 800 Mitglieder, von denen ein Großteil Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin mit Additivfach Hämatologie und Internistischer Onkologie sind. Neben der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften, der Festlegung von Standards für die Facharztausbildung und Ausbildungsstätten und der Erarbeitung von Leitlinien will die OeGHO die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen allen an der Krebstherapie Beteiligten und die Forschung auf dem Gebiet der Hämatologie und Onkologie aktiv fördern.
Über die SGMO
Die Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie (SGMO) ist der Berufsverband und die Fachgesellschaft der Ärztinnen und Ärzte mit dem Facharzttitel Medizinische Onkologie. Die SGMO zählt aktuell 431 Mitglieder, hat gemeinnützigen Charakter und verfolgt keine wirtschaftlichen Ziele. Zu den Aufgaben der SGMO gehören insbesondere:
- Die Medizinische Onkologie in der Schweiz wissenschaftlich und praktisch zu fördern
- Die Weiter- und Fortbildung für Medizinische OnkologInnen zu regeln und zu gewährleisten
- Die beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Medizinischen OnkologInnen in der Schweiz zu wahren
- Die Vernetzung von Medizinischen OnkologInnen untereinander sowie mit anderen medizinischen Fachgebieten zu fördern
Über die SGH
Die Schweizerische Gesellschaft für Hämatologie (SGH) ist der Berufsverband und die Fachgesellschaft der Ärztinnen und Ärzte mit dem Facharzttitel Hämatologie. Die SGH zählt aktuell 342 Mitglieder, hat gemeinnützigen Charakter und verfolgt keine wirtschaftlichen Ziele. Zu den Aufgaben der SGH gehören insbesondere:
- Wahrung der Interessen der Hämatologinnen und Hämatologen in der Schweiz;
- Förderung der Hämatologie in der Schweiz;
- Regelung und Gewährleistung der Aus-, Weiter- und Fortbildung in Hämatologie in Zusammenarbeit mit anerkannten Weiterbildungsstätten;
- Förderung der Kollegialität unter den Mitgliedern
- Regelung und Gewährleistung der Aus-, Weiter- und Fortbildung in Hämatologie in Zusammenarbeit mit anerkannten Weiterbildungsstätten;
- Förderung der Kollegialität unter den Mitgliedern
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