Positives Fazit der Jahrestagung 2021: Reden tut gut
Es war noch kein „Back to Normal“, aber ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin: Als eine der ersten Fachveranstaltungen ihrer Art machte die Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie wieder eine Vor-Ort-Teilnahme möglich. 4.000 Personen hatten sich für den Kongress im hybriden Format angemeldet, davon nahmen gemäß Veranstaltervorgabe täglich bis zu 1.000 Teilnehmer*innen im City Cube Berlin teil. Das viertägige Programm bot zahlreiche Informations-, Diskussions- und Fortbildungsformate sowie hochkarätig besetzte Vorträge zu brandaktuellen wissenschaftlichen und klinischen Fragestellungen der Hämatologie und Onkologie. Das Feedback vieler Teilnehmer*innen: „Endlich konnten wir wieder reden.“
Kommunikation und persönlicher Austausch im Mittelpunkt
„Unser hybrides Konzept ist aufgegangen. Wir haben vorsichtig geplant und es geschafft, unsere Fachcommunity unter den nach wie vor komplexen Rahmenbedingungen zurück in den persönlichen Austausch zu bringen“, sagte Prof. Dr. med. Andreas Mackensen, diesjähriger Kongresspräsident und Direktor der Medizinischen Klinik – Hämatologie und Internistische Onkologie des Universitätsklinikums Erlangen, zum Abschluss der Jahrestagung. „Man konnte sehr deutlich wahrnehmen, wie sehr die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Ort es genossen haben, sich wieder einmal in persona zu treffen“, sah Mackensen das Kongress-Motto ‚Wir müssen wieder reden‘ bestätigt. „Die Hämatologie und Onkologie wird immer komplexer und dynamischer. Wie wichtig hier Kommunikation ist und wie sehr sie in der Pandemie fehlte, hat sich in den letzten Monaten auf sämtlichen Ebenen gezeigt.“ Das gewählte Setting und das zusammengestellte anspruchsvolle Programm spiegelten dies wider. Die behandelten Themen reichten von der Präzisions- und Immunonkologie und CAR-T-Zell-Therapie bis zur Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz sowie Arzneimitteltherapiesicherheit. Zudem stand das gesellschaftspolitisch wichtige Thema der assistierten Selbsttötung auf der Agenda. Ebenso war ein eintägiger Pflegekongress wieder Bestandteil der Jahrestagung.
Die Jahrestagung 2021 fand auch auf politischer Ebene einen Widerhall. So übermittelten Bundesforschungsministerin Anja Karliczek und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Grußworte, in denen sie den großen Einsatz der Hämatologie und Medizinischen Onkologie für Lebensqualität und Lebenszeit der Patient*innen und den intensiven Austausch der deutschsprachigen Fachgesellschaften würdigten. Minister Spahn betonte, darüber hinaus habe die Pandemie wie im Brennglas gezeigt, was gut läuft und was besser werden müsse.
Wissensgenerierung und -vermittlung als Hauptaufgabe
Das Bild des Brennglases griff denn auch Prof. Dr. med. Lorenz Trümper, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Vorstand Krankenversorgung der Universitätsmedizin Göttingen, in seinem Kongress-Fazit auf. Drei Punkte hätten sich in den beiden besonders belastenden Corona-Jahren als zentral herauskristallisiert. „Das ‚Fach‘ in Fachgesellschaft steht für uns im Mittelpunkt. Unsere Aufgabe ist es, Wissen zu generieren und zu vermitteln. Deshalb veranstalten wir Kongresse wie die Jahrestagung, auf denen wir uns wissenschaftlich austauschen. Zudem tragen wir zur Erfüllung eines gesellschaftlichen Auftrags bei. Das heißt: Wir können es uns nicht leisten, keine klare Haltung zu haben. Und: Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen wir uns im öffentlichen Diskurs positionieren und das an die politischen Entscheidungsträger herantragen, was uns im Alltag begegnet.“
Herzstück der Wissensvermittlung der drei Fachgesellschaften sei – neben der Jahrestagung – auch Onkopedia, erläuterte Trümper. „An der Zahl der neuen Arzneimittel lässt sich gut die Bedeutung und rasante Entwicklung unseres Fachgebiets ablesen. Die Wissensexplosion ist immens. Wir wollen, dass das Wissen um neue Diagnostik- und Therapiestandards schnell bei unseren Mitgliedern und somit bei den Patientinnen und Patienten ankommt – Innovation und Translation ‚from bench to bedside‘.“ Autorengruppen mit fünf bis 15 Kolleg*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kümmern sich um die Redaktion der Onkopedia-Leitlinien und können kurzfristig Änderungen vornehmen. Bis zu 80.000 User klicken das Online-Angebot, das auch in einer App abrufbar ist, pro Monat an. Damit auch die nicht deutschsprachigen Teile der Schweiz künftig davon profitieren, sollen alle Leitlinien bald auf Englisch zur Verfügung gestellt werden. Jeden zweiten Freitagnachmittag sprechen die verantwortlichen Autor*innen der Onkopedia-Leitlinien zudem im Rahmen eines Fortbildungs-Webinars über relevante Änderungen.
„Onkopedia ist ein Erfolgsmodell und in den deutschsprachigen Ländern die zentrale Referenz für den klinischen Alltag in unserem Fachgebiet“, konstatierte Prof. Dr. med. Wolfgang Hilbe, Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung am Zentrum für Onkologie und Hämatologie der Klinik Ottakring in Wien. Auf der Jahrestagung stellte der amtierende Präsident der OeGHO zudem den ersten Österreichischen Krebsreport in den Mittelpunkt, der dazu beitragen soll, den Status quo in der landesweiten Krebsversorgung zu ermitteln. „Es geht hier um eine sachliche Darstellung und gut verständliche Aufbereitung von Informationen für Schlüsselpersonen im Gesundheitssystem“, so Hilbe. Veröffentlicht wird die erste Publikation am Weltkrebstag am 4. Februar 2022. Der jeweils aktuelle Österreichische Krebsreport soll künftig jährlich zum gleichen Zeitpunkt erscheinen.
Wissenschaft in Pandemiezeiten: gestiegene Publikationsaktivität auch in der Onkologie
Die COVID-19-Pandemie hat die Wissenschaftskommunikation ins Schaufenster der Weltöffentlichkeit gerückt. Welche Veränderungen und Impulse sich hier für die Fachgebiete der Hämatologie und Medizinischen Onkologie ergeben, erörterte Prof. Markus Manz, Past-President der Schweizerischen Gesellschaft für Hämatologie und Direktor der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie am Universitätsspital Zürich, im Rahmen der Jahrestagung. „Jeder kennt das Corona-Dashboard der Johns Hopkins University. Es wäre zu wünschen, dass wir so etwas eines Tages auch für Krebsfälle hätten“. Die neuen Standards seien durch die erste Pandemie im digitalen Zeitalter gesetzt: tagesaktuelle Informationen, Schnelligkeit, Transparenz, weltweites Daten-Sharing. „2020 gab es einen enormen Anstieg bei der Veröffentlichung von Artikeln in wissenschaftlichen Fachjournalen. Allein in der Onkologie stieg die Publikationsaktivität um zwölf Prozent“, so Manz. Gleichzeitig nehme durch merklich kürzere Peer-Review-Zeiten auch das Risiko von Fehlern oder Fehleinschätzungen zu. Dem müsse begegnet werden.
Ausgezeichneter Nachwuchs – und ein prominentes Vorbild
Eines der Highlights der diesjährigen Jahrestagung war der Vortrag von PD Dr. med. Özlem Türeci, Medizinischer Vorstand von BioNTech, in dem sie den Weg der RNA-Vakzine von der Tumortherapie zur COVID-19-Protektion nachzeichnete. Der restlos gefüllte Plenarsaal unterstrich das große Interesse am Thema. Türeci, die 1995 gemeinsam mit Prof. Dr. med. Ugur Sahin den von der DGHO ausgelobten Vincenz-Czerny-Preis erhalten hatte, nutzte die Gelegenheit, den jungen Forscher*innen, die direkt vor ihrem Vortrag für exzellente wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Hämatologie und Medizinischen Onkologie prämiert wurden, herzlich zu gratulieren.
Jedes Jahr aufs Neue unterstreichen die Fachgesellschaften mit der Auslobung von Nachwuchspreisen ihr Förderanliegen.
Vincenz-Czerny-Preis (DGHO)
• Gebiet: Klinische, experimentelle oder theoretische Fragen der Onkologie
• Preisträger: Dr. med. Maria Rohm, München
• Arbeit: „Ceramide als neuartige Biomarker für Krebskachexie“
• Journal: Journal of Cachexia, Sarcopenia and Muscle
• Dotierung: 7.500 Euro
Artur-Pappenheim-Preis (DGHO)
• Gebiet: Klinische, experimentelle oder theoretische Fragen der Hämatologie
• Preisträger: Dr. med. Florian Scherer, Freiburg
• Arbeit: „Die Bedeutung zirkulierender Tumor-DNA als nicht-invasiver Biomarker bei Patienten mit B-Zell-Lymphomen“
• Journal: Science Translational Medicine, Blood, Journal of Clinical Oncology, Cell
• Dotierung: 7.500 Euro
Doktoranden-Förderpreis (DGHO)
• Gebiet: Studienarbeiten oder Dissertationen der Hämatologie und / oder Internistischen Onkologie in den Fächern Medizin, Pharmazie oder Biologie
• Preisträger: Mirco Friedrich, Heidelberg
• Arbeit: „Modulation of Antitumor Immunity by Isocitrate Dehydrogenase-mutated Tumors“
• Journal: Nature Cancer
• Dotierung: 3.000 Euro
Wolfgang Denk-Preis (OeGHO)
• Gebiet: Klinische Onkologie
• Preisträger: Dr. Ariane Steindl, Medizinische Universität Wien
• Arbeit: „Neurological symptom burden impacts survival prognosis in patients with newly diagnosed nonsmall cell lung cancer brain metastases“
• Journal: Cancer
• Dotierung: 5.000 Euro
Wilhelm Türk-Preis (OeGHO)
• Gebiet: Klinische Hämatologie
• Preisträger: Dr. Florian Moik, Medizinische Universität Wien
• Originaltitel der Arbeit: „Incidence, risk factors, and outcomes of venous and arterial thromboembolism in immune checkpoint inhibitor therapy“
• Journal: Blood
• Dotierung: 5.000 Euro
Vier neue Ehrenmitglieder für die DGHO
Sie haben sich in wissenschaftlicher und ärztlicher Hinsicht besonders um die Hämatologie und Medizinische Onkologie verdient gemacht: Mit Prof. Dr. med. Georg Maschmeyer, Prof. Dr. med. Helmut Ostermann, Prof. Dr. med. Stephan Schmitz und Prof. Dr. med. Martin Wilhelm erhielten in diesem Jahr gleich vier Persönlichkeiten die DGHO-Ehrenmitgliedschaft. So haben Maschmeyer und Ostermann gemeinsam die „Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der Hämatologie und Onkologie (AGIHO)“ aufgebaut, die mit ihren bisher 42 englischsprachigen Leitlinien internationale Standards gesetzt hat. Ostermann wirkte zudem viele Jahre als Vorsitzender des Arbeitskreises DRG und Gesundheitsökonomie. Dieser bewertet jedes Jahr die Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) in der Hämatologie und Onkologie. Schmitz war langjähriger Vorsitzender des Berufsverbandes der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland e. V. (BNHO) und ist ehemaliges Mitglied im Beirat der DGHO. Ebenfalls im Vorstand sowie im Beirat der DGHO hat sich Wilhelm eingebracht, der dazu vor fast 20 Jahren die „Arbeitsgemeinschaft der Hämatologen und Onkologen im Krankenhaus e. V.“ (ADHOK) mitgründete und dem „Verein zur Förderung der Weiterbildung in der Hämatologie und Onkologie e. V.“ (WBHO) vorsitzt.
Nächste Ausgabe 2022 in Wien
Im kommenden Jahr wird die Jahrestagung vom 7. bis 10. Oktober stattfinden. Turnusgemäß fungiert die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie als Gastgeber. Prof. Dr. med. Matthias Preusser wird als Kongresspräsident für die Programmzusammenstellung und Vorbereitung verantwortlich zeichnen und die Teilnehmer*innen in Wien begrüßen – hoffentlich ohne größere pandemiebedingte Einschränkungen.
Ausführliche Informationen unter: https://www.haematologie-onkologie-2021.com/
Über die DGHO
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. besteht seit über 80 Jahren und hat heute mehr als 3.800 Mitglieder, die in der Erforschung und Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen tätig sind. Mit ihrem Engagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, mit der Erstellung der Onkopedia-Leitlinien, mit der Wissensdatenbank, mit der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsseminaren sowie mit ihrem gesund-heitspolitischen Engagement fördert die Fachgesellschaft die hochwertige Versorgung von Patient*innen im Fachgebiet.
Über die OeGHO
Die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie hat sich zum Ziel gesetzt, die Betreuung von Patient*innen österreichweit an den höchsten Standard heranzuführen. Die OeGHO zählt als Fachgesellschaft aktuell ca. 800 Mitglieder, von denen ein Großteil Fachärzt*innen für Innere Medizin mit Additivfach Hämatologie und Internistischer Onkologie sind. Neben der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärzt*innen sowie Pflegekräften, der Festlegung von Standards für die Fachärzt*innenausbildung und Ausbildungsstätten und der Erarbeitung von Leitlinien will die OeGHO die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen allen an der Krebstherapie Beteiligten und die Forschung auf dem Gebiet der Hämatologie und Onkologie aktiv fördern.
Über die SGMO
Die Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie (SGMO) vereinigt als medizinische Fachgesellschaft Ärzt*innen, die auf die Erforschung, Diagnose und Behandlung bösartiger solider Tumoren und hämato-onkologischer Erkrankungen spezialisiert sind. Seit der Gründung der SGMO im Jahre 1999 hat ihre Mitgliederzahl stetig zugenommen und erreicht heute 402 ordentliche und außerordentliche Mitglieder. Die SGMO vertritt die standespolitischen Interessen der medizinischen Onkolog*innen und setzt sich für Forschung, Weiter- und Fortbildung ein.
Über die SGH
Die Schweizerische Gesellschaft für Hämatologie (SGH) ist die medizinische Fachgesellschaft der Ärzt*innen mit dem Facharzttitel Hämatologie. Sie hat folgende Zielsetzungen: Die Förderung der Hämatologie in der Schweiz, die Forschungsförderung, die Weiter- und Fortbildung und die Wahrung der beruflichen Interessen der Hämatolog*innen in der Schweiz sowie die Förderung der Kollegialität unter den Mitgliedern. Die SGH zählt 325 Mitglieder.
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