DGHO Mindestmengenregelung für hämato- poetische Stammzelltransplantationen Kritik von DGHO, DAG-HSZT und DLH BERNHARD WÖRMANN D er Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte die Re- gelungen zu den Mindestmengen bei der autologen und der allogenen, hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSZT) mit Datum vom 15. Dezember 2022 geändert. Die Än- derungen beinhalten eine Heraufsetzung der Mindestmenge für allogene Stammzelltransplantationen (allo-HSZT) auf 40 / Jahr pro Krankenhaus, während keine Mindestmenge mehr für die autologen Stammzelltransplantationen (auto-HSZT) vorgesehen ist. Die Regelung kann zur Schließung von bis zu 20 der bisherigen 50 Standorte in Deutschland führen. Nach intensiven Diskussionen mit allen Betroffenen hal- ten wir den Beschluss des G-BA zum jetzigen Zeitpunkt aus mehreren Gründen für kritisch: • Der Beschluss kommt zum falschen Zeitpunkt: Seit mehr als 5 Jahren führen die Transplantationszentren nicht nur die allogenen und autologen Stammzelltransplantationen, sondern auch die seit 2018 zugelassenen CAR-T-Zellthe- rapien durch. Darüber hinaus bereiten sie sich aktuell auf die Durchführung der Gentherapie bei hereditären Hä- moglobinopathien vor. Sinnvoll ist die zukunftsweisende Strukturierung von Zentren für Zelluläre Therapien mit Vorhaltung aller Erfordernisse, einschl. der Ausbildung und langfristigen Bindung von qualifiziertem Personal. Die aktuelle Regelung berücksichtigt den notwendigen Ausbau von Strukturen einschließlich der erforderlichen Prozessvalidierungen und ihrer Zertifizierung weder in seiner inhaltlichen Komplexität noch in der zeitlichen Di- mension. • Die Schließung von bis zu 20 Standorten gefährdet die Versorgung: Bei strikter Umsetzung der für die allogene Stammzelltransplantation festgelegten Mindestzahl ver- blieben etwa 30-35 von ursprünglich 50 Zentren in der Versorgung. Das bedeutet, dass knapp 20% der bisher von kleineren Einrichtungen erbrachten Transplantationen „umverteilt“ werden müssten. Einen derartigen Aufwuchs werden die verbleibenden Zentren schon allein aufgrund infrastruktureller Engpässe, u.a. beim Pflegepersonal, in der Kürze der Zeit nicht uneingeschränkt in der nötigen Qualität auffangen können. Darüber hinaus greift das in den Tragenden Gründen zum Beschluss aufgeführte Ar- gument einer nur geringfügigen Verlängerung der An- fahrtswege für die Pat. nicht. Anders als bei mindestmen- genbewehrten, chirurgischen Leistungen ist die allogene Stammzelltransplantation keine einzeitige Intervention, sondern erfordert multiple Zentrumsbesuche sowohl in der Vorbereitung, aber vor allem in der Posttransplanta- tionsphase. In dieser Phase gilt es, das übertragene neue Immunsystem als zentrales Wirkprinzip der allo-HSZT zu steuern, schwerwiegende Komplikationen frühzeitig zu er- kennen und zu behandeln. Unverhältnismäßig weite An- fahrtswege bedeuten hierbei zusätzliche Belastungen und Risiken für die transplantierten Pat. Während die Abläufe der stationären Akutphase gut zu standardisieren sind, kommt es aufgrund der höheren Komplexität der Verläu- fe in der u. U. über Jahre dauernden poststationären Pha- se in hohem Maße auf die Behandlungserfahrung an. Die Betreuung allogen Transplantierter kann nur sehr einge- schränkt auf Transplantations-unerfahrene periphere Ein- richtungen delegiert werden. • Mindestmengenregelungen sollten sich auf ein Zentrum beziehen: Statt der Formulierung „Jährliche Mindestmen- ge pro Standort eines Krankenhauses“ sollte es heißen „Allogene Stammzelltransplantation – jährliche Mindest- menge pro Transplantationszentrum“. Ein Transplanta- tionszentrum ist dabei definiert durch das Vorhandensein einheitlicher Infrastrukturmerkmale (z.B. QM-System, SOPs, Transplantatkoordination, Transplant- und Quali- tätssicherungskonferenzen, Fort- und Weiterbildungscur- ricula, idealerweise auch durch einheitliche Personalpools einschließlich ärztlicher und pflegerischer Leitung und einen homogenen Maximalversorgerhintergrund), nicht jedoch durch obligate Beschränkung auf einen Standort. Wir fordern, den Beschluss für die Mindestmengenregelun- gen bei der allogenen Stammzelltransplantation für 2 Jahre auszusetzen. Die Zeit soll genutzt werden, um die auch im Kontext der geplanten Krankenhausreform diskutierten Zen- tren für zelluläre Therapie zu konzipieren. Hier können be- reits bestehende Vorgaben des G-BA zur hämatopoetischen Stammzelltransplantation, zur CAR-T-Zelltherapie und für die Gentherapie gebündelt werden, und im Kontext der Rah- menbedingungen der Krankenhausreform zukunftsweisend strukturiert werden. Damit würde auch die schwierige Situa- tion der fehlenden und von internationalen Vorgaben abwei- chenden Regelung von Mindestmengen bei der autologen Stammzelltransplantation adressiert. Seitens der unterzeichnenden Fachgesellschaften und der Deutschen Leukämie- und Lymphom-Hilfe stehen wir je- derzeit, auch in Kooperation mit weiteren Beteiligten, für Diskussionen zur Verfügung. Konkret schlagen wir kurzfris- tig die Einrichtung einer Projektgruppe zur Gestaltung von „Zentren für Zelluläre Therapie“ vor. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Hämatopoetische Stammzelltransplantation und Zelluläre Therapie (DAG-HSZT) Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe (DLH) 8 DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2024