Extrembelastung Mount Everest DGHO Eine gute Vorbereitung ist entscheidend: zum einen für die Wahrscheinlichkeit eines Gipfelerfolges, aber vor allem auch, um gesund und unversehrt wieder vom Berg runter- zukommen. Die Besteigung des Mount Everest ist nur in einem kleinen Zeitfester im Jahr jeweils im Frühjahr (April/ Mai) möglich, in dem das Wetter vor Einsetzen des Monsuns meist einigermaßen stabil ist. Es gibt nur wenige „Wetter- fenster“ und damit meist nur wenige Gipfeltage im Jahr. So- mit ist man zeitlich gebunden, sein vorbereitendes Training im Winter zu absolvieren. Meine Strategie war schlichtweg Höhenmeter zu trainieren und Hypoxie-Training. Dazu gibt es auch die Möglichkeit sich bereits zu Hause mit einem „Hypoxie-Zelt“ zu akklimatisieren. Hier verbrachte ich etwa fünf Wochen jeweils über Nacht mit langsamer Steigerung der Adaptation an eine Höhe von bis zu 6.500 Meter und die damit einhergehenden Sättigungsabfälle. Dazu musste ein diszipliniertes körperliches Training neben der Arbeit in der Klinik gewährleistet sein, in dem ich teils abends auf der Schwäbischen Alb, an den Wochenenden in den Allgäuer Alpen und im Urlaub im Zillertal trainierte, um eine ausrei- chende Anzahl von bis zu 2.000 Höhenmetern pro Einheit zu erreichen. Statt Skifahren einfach zu Fuß im Schnee die Berge hochlaufen. Dann ist natürlich die Akklimatisierung vor Ort entscheidend. Wir hatten ab Mitte April über drei Wochen in verschiedenen Tälern in Nepal mit Aufstiegen auf verschiedenen Gipfeln bis über 5.000 Meter verbracht, wie dem Mera Peak mit 6.480 Meter sowie Zeltcamps mit mehreren Nächten auf ca. 6.000 Meter Höhe, was recht anstrengend war. Wichtig ist bei Ge- sundheit zu bleiben, genügend zu essen und das Gewicht zu halten, sehr viel zu trinken, mit der dünnen Luft zurecht zu kommen, ausreichend zu schlafen und bei Laune zu bleiben. Damit ist man bereit und reif für das Everest Base Camp auf ca. 5.400 Meter und die Gipfeltour. Das Erreichen des Eve- rest Base Camps Anfang Mai am Khumbu Gletscher war für mich ein unheimlich überwältigender Moment in magischer Kulisse (Bild 1). Nach Erreichen des Base Camps erfolgte eine weitere Akkli- matisierung, Vorbereitungen für die Besteigung, Übungen im Eis-Klettern und kleine Touren auf Berge der direkten Umge- bung. Bereits dort sinkt die Sauerstoffsättigung im Blut auf bis circa 80 Prozent, was ohne intensive körperliche Belas- tung gut erträglich, aber bei mir nachts und im Liegen im- mer wieder kurze Dyspnoe und Aufschrecken auslöste. Das Warten auf das optimale Zeitfenster in Wetter- und vor allem Windbedingungen für den Aufstieg zum Gipfel, für den man im Normalfall bei guten Bedingungen fünf Tage benötigt, er- fordert viel mentale Kraft. Bis zur Möglichkeit aufzusteigen, sind aber nochmals über zwei Wochen im Camp vergangen, was ziemlich kräftezehrend war. Trotz vielem Essen nimmt das Gewicht in der Zeit deutlich ab, was kaum zu verhindern ist. Hier besteht durch die Kälte und das Zusammensein vie- ler Menschen auch das Risiko von Übertragungen von viralen und bakteriellen Infektionen, die im ungünstigsten Fall eine Besteigung unmöglich machen können. Es gibt auch den Be- griff des „Khumbu-Husten“, der allerdings durch die trocke- ne Luft entsteht. Überall hört man Menschen mit Husten. Wie muss man sich den Ablauf der Tour auf den Gipfel Eve- rest vorstellen? Als sich ein günstiges Wetterfenster für den Aufstieg ergab, starteten wir über Nacht zu Camp 1 auf ca. 6.000 Meter. Hier- 2 zu war ein technisch anspruchsvolles Durchsteigen des von sehr tiefen Gletscherspalten durchzogenen Khumbu Eisfalls notwendig. Von der körperlichen Belastung her war dieser Abschnitt anstrengend, von der mentalen Belastung aller- dings besonders belastend aufgrund der großen Gefahr von Eislawinen und Eisbrücken im Khumbu Eisfall. Wetterbe- dingt mussten wir in Camp 2 auf 6.400 Meter länger bleiben. Diese Nächte mussten ohne Sauerstoff erfolgen. Wäre die ei- gene Sauerstoff-Sättigung unter 70 Prozent abgefallen und hätte man Sauerstoff benötigt, müsste man absteigen. Da- nach folgte der weitere Aufstieg bis zu Camp 3 auf ca. 7.200 Meter in der extrem steilen Lotse Flanke, ab hier verwende- ten wir Sauerstoff (Bild 2). Hier bemerkt man zunehmende Sättigungsabfälle. Entschei- dend ist jedoch nicht der absolute Wert der Sauerstoffsätti- gung, sondern, die Dynamik und die Adaption an den Sauer- stoffmangel sowie die Pulswerte. In einer solchen Höhe ist die Gefahr einer Höhenkrankheit stets ein möglicher Beglei- ter, die sich mit Kopfschmerzen, Schwindel, Tachykardien und Gleichgewichtsstörungen bis hin zu Hirn- und Lungen- ödemen zeigen kann. Danach stiegen wir auf in Camp 4 auf etwa 8.000 Meter. Die körperliche Belastung war sehr inten- siv, jeder Schritt kostete viel Kraft und Zeit, alle Teilnehmer unserer Gruppe der Expedition kletterten in sehr langsamem Tempo den Berg hinauf. Gleichzeitig ist man aber auch über- wältigt vom Willen, sein Ziel, den Gipfel, zu erreichen. Aus Camp 4 stiegen wir über Nacht auf 8.848 Meter und erreich- ten unter dem Sonnenaufgang den Gipfel des Mount Everest (Bild 3). Oben blieben wir bei gutem Wetter doch immerhin etwa 30 Minuten. Dann erfolgte ein langer gefährlicher Abstieg, erst bei Dunkelheit gegen 20 Uhr waren wir wieder in Camp 2 und damit sicher heraus aus der Todeszone. Nach wenigen Stun- den Schlaf ging es dann nochmals durch den Khumbu-Eisfall zurück ins Base-Camp. Erst dann ist man wieder weitgehend sicher. DGHO Mitgliederrundschreiben 4/2024 25 r i r e n e G n e h c o J : o t o F