DGHO Sicherung von Innovation und Versorgung bei Blut- und Krebskrankheiten ANDREAS HOCHHAUS, CLAUDIA BALDUS, MARTIN BENTZ, CARSTEN-OLIVER SCHULZ, MINNA VOIGTLÄNDER, BERNHARD WÖRMANN I n keinem Gebiet der Medizin hat es in den letzten Jahren so durchgreifende Fortschritte wie bei Patientinnen und Patienten (Pat.) mit Blut- und Krebskrankheiten gegeben. Innovationen reichen von der Früherkennung beim Lungen- krebs über die Diagnostik mit der Präzisionsonkologie, neue Arzneimittel wie Immun- und gezielter Therapie bis zu den Advanced Therapy Medicinal Products (ATMP) wie der Gen- therapie bei angeborenen Blutkrankheiten und den gene- tisch modifizierten Zellen für fortgeschrittenen Krebs. Beim Zugang zu neuen Arzneimitteln stand Deutschland in den letzten 10 Jahren an der Spitze in Europa. Besondere Heraus- forderungen der kommenden Jahre liegen in • Zugang zu Innovationen für alle Betroffenen, auch durch Sicherung der flächendeckenden Vernetzung zwischen Krankenhäusern und ambulanter Versorgung, • Förderung der patientenzentrierten Forschung mit dem Ziel der Präzisierung und Individualisierung von Thera- piekonzepten, auch auf der Basis von Versorgungsdaten und -studien, • Förderung zukunftsweisender Innovationen, insbeson- dere bei Erkrankungen mit hohem, ungedecktem Bedarf. Zugang zu Innovationen für alle Be troffe- nen, auch durch Sicherung der flächen- deckenden sektorenübergreifenden Ver- netzung zwischen Krankenhäusern und ambulanter Versorgung Die dringend erforderliche Krankenhausreform im Rah- men des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) und die wegweisenden Konzepte der Länder sollen die Qualität der Behandlung von Pat. durch die stärkere Bil- dung qualifizierter Zentren steigern. Das betrifft insbeson- dere auch die Hämatologie und Onkologie. Die bisher definierten Leistungsgruppen zeigen eine noch unzureichende Berücksichtigung des sehr dynamischen medizinischen Fortschrittes der letzten Jahre, insbesondere bei den Zelltherapien und in der medizinischen Onkologie. Dies kann im Rahmen der aktuellen Überprüfung und Anpas- sung der Leistungsgruppen korrigiert werden. Bei der Umsetzung der Krankenhausreform werden eine intensive Vernetzung zwischen Bund und Ländern sowie möglichst synchrone Aktivitäten der Bundesländer entschei- dend sein, um eine einheitlich und qualitativ hochwertige Versorgung von Pat. im gesamten Bundesgebiet zu gewähr- leisten. Viele der neuen Therapien werden zukünftig auch ambu- lant durchgeführt werden können. Sichergestellt werden muss die strukturelle Verbindung zwischen stationärer Ver- sorgung und flächendeckender, ambulanter Versorgung durch Förderung intersektoraler Netzwerke. Förderung der patientenzentrierten For- schung mit dem Ziel der Präzisierung und Individualisierung von Therapiekonzepten, auch auf der Basis von Versorgungsdaten und -studien Die DGHO begrüßt die jüngsten gesundheitspolitischen Maßnahmen, insbesondere das Medizinforschungsgesetz (MFG), das entscheidende Rahmenbedingungen für kli- nische Forschung in Deutschland schafft und gezielt For- schungsanreize setzt, denn, während Deutschland beim Zugang zu neuen Arzneimitteln eine Spitzenposition ein- nimmt, konnte der Standort bei der Entwicklung neuer Arz- neimittel in der Vergangenheit häufig nicht partizipieren. Besonders hervorzuheben im MFG ist aus unserer Sicht die im Gesetzestext vorgenommene differenzierte Betrachtung von klinischen Studien der pharmazeutischen Industrie und den wissenschaftsgetriebenen Studien ohne wirtschaftliche Zwecksetzung (§ 42e). Diese Differenzierung soll ermögli- chen, die klinische Forschung im akademischen Kontext auf einem hohen und international konkurrenzfähigen Niveau aufrechtzuerhalten. Dringend erforderlich ist die Förderung unabhängiger Studien in zwei Formen: • Interventionsstudien: Wir fordern, dass den Kranken- kassen die Möglichkeit gegeben wird, sich aktiv an Ver- sorgungsstudien zu beteiligen. Konkretes Beispiel ist die Überprüfung medikamentöser Langzeittherapien in der Onkologie. Ausgehend von einer kurzen Lebenser- wartung war bisher bei vielen neuen Arzneimitteln eine Behandlung bis zum Progress der Krebskrankheit vorge- sehen. Angesichts der jetzt verlängerten Lebenserwar- tung sollen Konzepte mit kürzerer Therapiedauer über- prüft werden, analog von Erfahrungen bei chronischen Leukämien. Hier ist insbesondere auch eine Erweiterung der Förderungsmöglichkeiten durch den Innovations- fonds sinnvoll. • Registerstudien: Eine signifikante Wissenslücke ergibt sich auch aus dem relevanten Anteil der Pat., die nicht in klinische Interventionsstudien eingeschlossen wer- den. Sie sind beispielhaft zu alt, zu komorbide oder ver- fügen nicht über die zur Teilnahme an Zentren notwen- dige Infrastruktur. Um diese Lücke zu schließen, bedarf es nichtinterventioneller Studien einschließlich klini- scher Registerstudien. In klinischen Registerstudien werden keine Behandlungsvorgaben gemacht. Sie bieten entscheidende Vorteile für die Krebsmedizin, insbeson- dere zur Erfassung der realen Versorgungssituation ein- schließlich der Breite und Diversität der Patientenpopu- lation. Sie ermöglichen die langfristige Datenerhebung und Beobachtung sowie die Gewinnung von Erkennt- nissen zu seltenen Erkrankungen. Durch Identifizierung von Versorgungslücken können Behandlungsstrategien gezielt verbessert werden, und sie erlauben die Gene- rierung neuer Forschungsfragen zu Therapieoptionen, Lebensqualität und Gesundheitsökonomie. 4 DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2025